Lebenskrise Depression: Didi

Depressionen. Meine Lebenskrise ist bloß meine persönliche Heldenreise.

Betroffener: Didi Burnault
Jahrgang: 1986
Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig mittelgradige Episode), Somatisierungsstörung
Therapien: 11 Wochen psychosomatische Klinik; Psychoanalytische Einzeltherapie, Systemische Gruppe, Selbsthilfegruppen, Therapiegruppen
Ressourcen: Freunde, Natur, Tiere, Sport, schreiben, meine Kreativität, Kuschelpartys, Achtsamkeit & Meditation

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Nachdem ich zwei Jahre unter diversen körperlichen Symptomen gelitten habe und Anfang 2015 einen Tiefpunkt erreichte, bei dem die Kräfte nicht mal mehr für den Haushalt oder Kochen reichten, habe ich mich in eine psychosomatische Klinik begeben. Dort bekam ich dann zum ersten Mal eine Diagnose. Der Oberarzt sagte mir, ich sei ein F45.0 F50.1 F33.11. Es fiel das erste Mal das Wort „Depressionen“ und ich wollte es nicht wahrhaben. Ich hielt mich immer für eine Kämpfernatur und dachte, dass Kämpfer keine Depressionen bekommen.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Tja, im Grunde genommen ist das bei mir mit dem Gesicht zeigen nur sprichwörtlich zu verstehen.

Allerdings würde ich gerne in einer Welt leben, in der ich keine Angst mehr davor haben muss, überall offen zu meiner psychischen Erkrankung zu stehen.

Deshalb finde ich es wichtig, die Menschen aufzuklären. Das war der Grund, warum ich mit dem Bloggen angefangen habe. Und das Mutmachleute Projekt zielt in genau dieselbe Richtung.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Ein Teil meiner Familie und meines Freundeskreises haben schon vorher gewusst, dass meine Symptome etwas mit der Psyche zu tun haben und sie haben mich dann unterstützt. Mein Vater war überrascht, wie schlecht es mir wirklich ging. Und meine Mutter dachte, nach elf Wochen Klinik bin ich geheilt und alles geht normal weiter.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Als ich in einem Seminar in der Klinik gehört habe, dass eine Depression nur ein Selbstschutz des Körpers ist, habe ich meine Krankheit unter einem anderen Blickwinkel gesehen. Was mir zudem sehr geholfen hat, war zu hören, dass man mit einer Depression nach dem heutigen Stand sehr gute Chancen auf Heilung hat.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In Krisensituationen hilft es mir mich mit anderen Menschen zu verbinden: Freunde, Kuschelpartys, Selbsthilfegruppen, systemische Gruppen oder Singkreise. Hauptsache ich weiß, dass ich dort Menschen antreffe, die ebenfalls Erfahrung mit Psychotherapie haben, so, dass ich mich aufgehoben und angenommen fühle. Ich weiß, ich muss mich nicht verstellen, sondern kann mit allem, was gerade ist, da sein. Falls zwischenmenschliche Lösungen gerade nicht möglich sind, hilft mir ein Spaziergang in der Natur ungemein. Außerdem hilft mir das ungefilterte Aufschreiben meiner Gedanken enorm. Generell würde ich sagen, dass alles, was expressiv ist, immer gut ist.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Erstens, dass man sich selbst und seinen Körpersignalen ruhig vertrauen darf. Es ist OK, egoistisch zu denken.
Ein Heilpraktiker meinte mal zu mir:

„Sie müssen lernen, eine Sch***-egal-Haltung zu entwickeln!“ Es stresst so ungemein, sich permanent über das Wohl anderer den Kopf zu zerbrechen.

Ein weiterer Punkt ist, Geduld zu haben. Wie oft habe ich schon von Therapeuten zu hören bekommen, dass das Ganze ein Prozess sei. Therapie-Erfolge kommen leider nicht von heute auf morgen, aber das sollte einen nicht davon abhalten, an sich zu arbeiten.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Nehmt Betroffene ernst! Dinge, die für andere vielleicht wie eine Lappalie erscheinen, können für Betroffene ein echtes Problem darstellen. Außerdem wünsche ich mir von Angehörigen, dass sie dieselbe Geduld entgegenbringen, die man als Betroffener braucht. Und bitte nicht anschubsen!

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich denke, der wichtigste Aspekt an meinem Charakter ist meine Sensibilität, die ihre positiven und negativen Seiten hat. Allerdings hat man es als Mann noch einen Tick schwerer, wenn man hochsensibel ist. Trotzdem bin ich auch dankbar dafür, da ich mich an den vermeintlich einfachen Dingen des Lebens unglaublich erfreuen kann. Eine weitere Eigenschaft, die ich sehr schätze, ist meine Neugier.

Didi bloggt auf: www.derkrisenwandler.de