Lasst uns das Zuhören wieder lernen!

Dominik Sell, Mental Health Aktivist

Jahrgang: 2002

 

 

Was für Berührungspunkte hast du mit dem Thema Mental Health und warum hast du dich entschieden, dich für das Thema stark zu machen?

Noch bevor ich den Begriff Mental Health kannte, war mir das Ganze wichtig und ich habe immer versucht, dass es allen um mich herum gut geht. Meine Mutter ist ein sehr emotionaler Mensch, was mich auch früh für Emotionalität sensibilisiert hat. gleichzeitig wurde mir auch immer vermittelt, dass Emotionen etwasschwaches und etwas weibliches sind. Sätze wie “Ein Mann weint nicht” hört man in unserer Gesellschaftleider immer noch viel zu oft.

Meine ersten richtigen Berührungspunkte hatte ich dann, dadurch, dass ich immer mehr Freund*innen hatte,die von psychischen Erkrankungen betroffen waren, die mich dann für diese Themen sehr sensibilisiert haben.

Ich glaube, was mich dann schlussendlich dazu gebracht hat, mich für das Thema zu engagieren, war der Zusammenhang mit Schule. Ich habe damals in der Stadtschüler*innenvertung München mein Freiwilligessoziales Jahr gemacht und regelmäßig Geschichten aus von Schüler*innen gehört, die Nervenzusammenbrüche und Panikattacken vor Prüfungen hatten. Das war und ist für mich unbegreiflich, wie wir ein Schulsystem aufrechterhalten können, welches erwiesenermaßen krank macht.

In diesem Zusammenhang habe ich dann angefangen, Mental Health immer wieder in verschiedenen Kontexten zu thematisieren und mich immer weiter in diesem Bereich zu bilden.

Inzwischen ist Mental Health für mich eines der wichtigsten Themen geworden, da ich glaube, dass, wennwir es schaffen, in diesem Bereich etwas grundlegend zu ändern, dass sich das positiv auf die gesamte Gesellschaft auswirken würde.

 

 

Wurde an deiner Schule/Uni oder Ausbildungsstätte auf die Themen psychische Erkrankungen, Achtsamkeit, Stress, Suizidalität in einem Unterrichtsfach oder in einem gesonderten Kurs/AG daraufeingegangen? Würdest du dir da eine Veränderung und/oder mehr Aufklärung wünschen?

Leider wurden die Themen bei mir in der Schule kaum bis gar nicht angesprochen. Das einzige, wo es Mal minimal Thema war, war, als eine Lehrerin von mir einen Burnout hatte, da würde dann kurz drüber geredet. Aber generell kam das Thema auf jeden Fall viel zu kurz. Vor allem auch mit dem Hintergrund, dass an meiner Schule einige Schüler*innen selbstverletzendes Verhalten hatten, kann man sich fragen, ob die Lehrkräfte das nicht wussten oder, da sie damit nicht umgehen konnten, es einfach ignoriert haben. Ich gehe leider eher von letzterem aus, wobei das natürlich auch je nach Lehrkraft unterschiedlich ist.

Es sollte eigentlich gar nicht zur Debatte stehen, ob in der Schule Aufklärung und Prävention zu all diesen Themen stattfindet. Das sollte selbstverständlich sein. Eigentlich sollten wir sogar schon im Kindergarten über Achtsamkeit und Ähnliches sprechen. Also ja, ich glaube, es muss sich in unserenBildungseinrichtungen etwas grundsätzlich ändern. Wir müssen über die Themen sprechen, wir müssen präventiv arbeiten und wir müssen auch Auslöser von Stress, Angst, Vernachlässigung, Druck, Einsamkeit etc. abbauen! Leider ist halt oft das System Schule selbst nicht nur keine Lösung, sondern auch noch ein Auslöser.

 

 

Was möchtest du betroffenen jungen Menschen mit auf den Weg geben?

Vor allem ganz viel Kraft und Mut! Denn davon braucht es sehr viel, um in dieser Gesellschaft nicht unterzugehen. Ansonsten wissen Betroffene meistens selbst am besten, was sie brauchen, ich würde viel lieber den Menschen, die nicht von psychischen Erkrankungen betroffen sind, etwas mitgeben.

Schaut nicht weg, hört zu und unterstützt!

Nicht die Betroffenen sind das Problem, sondern die Gesellschaft, die sie krank macht, oder nicht so akzeptiert, wie sie sind.

 

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Mir ist es wichtig, dass es immer allen um mich herum gut geht. Deswegen merke ich es auch oft sehr schnell, wenn irgendwelche Konflikte im Raum sind, oder Menschen ein Problem miteinander haben und das stresst mich dann.

Mir ist es wichtig immer zu helfen, wenn jemand Hilfe braucht und vor allem immer ein offenes Ohr für alle zu haben.

Wenn es mir früher schlecht ging, dann habe ich das meistens versucht nicht zu zeigen, da ich nicht wollte, dass andere Menschen wegen mir einen schlechten Tag haben. Außerdem wollte ich die Probleme immer alleine bewältigen. Das hat sich inzwischen etwas gebessert, aber ich lerne auch immer noch. Ich kann nur sagen, offen über Emotionen zu reden ist unglaublich befreiend, nicht nur für einen selbst, sondern auch für die, die zuhören. Und nach Hilfe fragen, ist das stärkste was man tun kann. Daran scheitere ich manchmal noch.

 

 

Was müsste sich deiner Meinung nach in der Gesellschaft, in Bezug auf Mental Health, ändern?

Da gibt es unglaublich vieles, was hier auch den Rahmen sprengen würde. Aber ich glaube, wenn wir es schaffen, mehr über Emotionen zu reden, mehr nach Hilfe zu fragen, mehr zu Helfen und mehr Zuzuhören, dann sind wir schon mal auf einem guten Weg.

Beim Zuhören ist es übrigens auch sehr wichtig, nicht nur denjenigen zuzuhören, die die gleichenMeinungen und Erfahrungen haben, wie man selbst. Wir sollten vor allem wieder mehr Menschenzuhören, die anders denken und andere Erfahrungen gemacht haben. Nur so können wir voneinander lernen, uns besser verstehen und so der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken.

 

 

Was für eine Rolle spielt Jugendbeteiligung deiner Meinung nach beim Thema Mental Health?

Noch eine relativ kleine, aber ich glaube, sie könnte eine sehr große spielen und sie sollte es auch.

Es ist unglaublich wichtig jungen Menschen eine Stimme zu geben, damit ihre Ideen und Bedürfnisse in der Gesellschaft gehört werden. Gerade die Stimmen von Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt und stigmatisiert werden, müssen in den Vordergrund gerückt werden, damit eine Welt erschaffen werden kann, wo auch sie sich wohl fühlen.

Wir müssen mehr mit, statt über Betroffene reden und Jugendbeteiligung ist dabei ein wichtiges Werkzeug, um das zu erreichen.

 

 

Dominik ist auf Instagram: @dominik.sell