Angststörung und Bipolare Störung: Born to be epic!
Betroffene: Azada
Jahrgang: 1991
Diagnosen: Bipolar-II-Störung mit (ultra-)rapid-cycling, Generalisierte Angststörung, PTBS
Therapien: Kognitive Verhaltenstherapie, medikamentöse Therapie
Ressourcen: Natur, Fotografie, an meinem Buch schreiben, Malen/Zeichnen, mein Partner, Musik, Lesen
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
Im Dezember 2019 erlebte ich den endgültigen Zusammenbruch in Form einer schweren Depression. Im Januar stellte ich mich bei einer Therapeutin vor. Im Laufe der ersten Sitzungen war die Hauptdiagnose Bipolare Störung (Typ 2) klar. Man muss dazu sagen, dass ich bereits in meiner Jugend vermutet hatte, dass etwas mit mir nicht stimmt. Nach meinem Abitur begann ich nachzuforschen, auch wenn ich Dr. Google grundsätzlich hinterfrage. Allerdings war mir der Begriff der Manie schon bekannt und so landete ich schnell bei der Bipolarität. Ich las mir alles dazu durch und hatte allein bei den Beschreibungen der Symptomatik das Gefühl, verstanden zu werden. Irgendwann erzählte ich meinen Eltern davon. Und meinem Freundeskreis. Das war für mein Umfeld allerdings zu viel. Niemand wusste recht, was sie oder er dazu sagen sollte.
Meine depressiven Episoden wurden schlimmer, aber gleichzeitig auch die Hypomanien. Da ich aber extrem perfektionistisch bin, habe ich alles über Jahre hinweg kompensiert. Ich wusste, auf ein Hoch wird ein Tief folgen – und zumindest darauf bereitete ich mich vor.
Ich funktionierte immer. Und meine Gesundheit litt enorm. Nach 12 Jahren ging es nicht mehr. Und jetzt kann ich mir sicher sein, dass meine Vermutung stets richtig war.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Weil psychische Erkrankungen kein Tabu-Thema sein sollten. Und weil ich gerne von meinen Erfahrungen berichte. Vielleicht hilft es ja irgendjemandem. Das genügt schon.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
Die Reaktionen aus meinem Umfeld waren sehr unterschiedlich. Mein Partner ist der verständnisvollste Mensch, den ich kenne und hatte überhaupt keine Probleme damit, dass ich unter einer psychischen Erkrankung leide.
Mein Vater hat es zu Beginn nicht wahrhaben wollen. Erst als er mich in meiner schwer-depressiven Episode erlebt hat, konnte er sich nichts mehr schönreden. Mittlerweile ist da großes Verständnis und Akzeptanz, auch für Verhaltensweisen wie z.B. sozialer Rückzug usw. Meine beste Freundin hat ein großes Einfühlungsvermögen und nach dem ersten Schockmoment zeigte sie das auch.
Das restliche Umfeld … schwierig. Man merkt doch sehr, wie wenig Menschen an Krankheiten glauben, die man nicht sehen kann.
Ich wünsche mir, dass „wir“ gehört werden, gesehen werden und akzeptiert werden.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Ich hatte nie ein Problem damit, die Diagnose zu akzeptieren. Die Symptomatik hinzunehmen ist nicht immer leicht. Aber ich würde trotz allem kein anderer Mensch sein wollen.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
In meiner schwersten Zeit waren lange Spaziergänge in der Natur (oft mit Kamera) neben den Gesprächen mit meinem Partner das einzige, was mir noch Halt gab.
Dass Hypomanien auch zu einer Krisensituation werden können, ist immer schwer einzusehen. Vermutlich würde es mir helfen, viel zu lesen. Sport, Reden. Aber oft werde ich dann extrem kreativ und bin nicht mehr zu halten.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Die Macht … stark in uns sie ist. 😉
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Ich kann nur aus meiner Sicht sprechen. Mir hilft v.a. eine gute Kommunikation auf beiden Seiten. Und ich schätze, umgekehrt ist das genauso. Manchmal ist Nachfragen nützlich, doch alles mit Vorsicht und Einfühlungsvermögen. Ansonsten Hilfe anbieten, aber auch die eigenen Grenzen kennen. Vielleicht die/den Betroffene/n einmal mit in die Therapie begleiten, wenn sie/er damit einverstanden ist. Es ist auch gut, sich über die Erkrankung zu informieren, allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass eine Diagnose nur einen Art „Richtlinie“ darstellt. Symptomatik ist dann wieder sehr individuell.
Das für mich Wichtigste: Zeigen, dass die/der Betroffene geliebt wird und ihr/ihm das Gefühl vermitteln, dass sie/er keine Belastung ist. Das heißt nicht, dass die Situation nicht belastend sein kann. Aber die Person an sich, ist ganz bestimmt nicht immer nur in der „Nehmer-Position“ und das sollte auch deutlich gemacht werden. Ich als Betroffene möchte mich gebraucht fühlen.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich bin kreativ. Perfektionistisch. Widersprüchlich. Ich fühle mich, als trüge ich tausend verschiedene Seelen in mir, weil ich auf so unterschiedlichste Art und Weise empfinden und wahrnehmen kann. Das mag ich an mir. Und es frisst mich auf.
Ich bin voller Selbstzweifel. Ich weiß, dass ich viele Talente haben. Darauf bin ich stolz. Ich fühle die Gefühle anderer, zusätzlich zu meinen und bin davon Tag für Tag überwältigt. Ich bin hilfsbereit, zynisch, habe für alles eine Lösung, glaube an den Worst-Case und bin absolut begeisterungsfähig, fühle mich wie ein Kind. Tausend Interessen. Selbstbewusst. Leidenschaftlich. Melancholisch.
Ich schätze meine Vielseitigkeit.
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