Depressionen, PTBS & Panikstörung: „Geh soweit, wie du sehen kannst – wenn du da bist, wirst du weiter sehen.“

Betroffene: Sabine Kerperin Natschke
Jahrgang: 1961
Diagnosen: Depressionen, PTBS, Panikattacken, chronische Schmerzstörung
Therapie: Aufenthalt in einer psychosomatischem Klinik, ambulante Therapie
Ressourcen: Fotografieren, Familie, Freunde

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Ich leide bereits seit meiner frühen Jugend unter Depressionen. In meinen ersten 40 Lebensjahren wurde ich leider immer als Träumerin bzw. Spinnerin betitelt, sogar Faulheit wurde mir sehr oft unterstellt, wenn die Depression mich mal wieder niedergeschlagen hat. Meine erste offizielle Diagnose bekam ich mit Mitte 40.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Weil Depressionen und andere psychische Erkrankungen nach wie vor stigmatisiert werden. Ich kann mit Worten gar nicht ausdrücken, wie es mich manchmal ankotzt, wie ich behandelt oder angesehen werde, wenn ich sage, dass ich depressiv bin. Als ob ich ein drittes Auge im Gesicht hätte. Dem möchte ich entgegenwirken, indem ich offen zu meiner Depression stehe. Deshalb habe ich seit ca. anderthalb Jahren eine eigene Facebook Gruppe „Depression ist ein Arschloch“. Da erlebe ich tagtäglich, wie LeidensgenossInnen darüber berichten, wie sie behandelt werden und wie hart sie um Anerkennung der Erkrankung kämpfen müssen.

Wenn sonst keiner für uns kämpft, dann müssen wir eben selbst ran!

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Naja, ich hab ein paar Freunde weniger, aber das ist okay, denn es waren wohl nicht die richtigen. Die Familie steht wie ein Fels hinter mir und erlaubt mir, authentisch zu sein, was ein Riesengeschenk ist. Meine „übriggebliebenen“ Freunde sind „Halt“, „Liebe“, „Spaß“ und „Innehalten“.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich musste tatsächlich durch ein sehr tiefes Tal gehen, bis ich beim Akzeptieren angekommen war. Da das noch gar nicht so lange her ist, fällt es mir noch schwer darüber zu berichten. Ich kann nur sagen, dass es schmerzhaft war und ich es ohne die Unterstützung meiner Familie und der Ärzte in der Klinik sicher nicht geschafft hätte. Und das meine ich wortwörtlich.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Familie, Freunde, Medis und meine Gruppe bei Facebook.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Such dir Unterstützung. Sag niemals zu dir : „Ach, so schlimm ist es noch nicht!“
Warte nicht, bis du nicht mehr weiterweißt! Sprich offen mit deinem Arzt und deiner Familie. Ruf die Telefonseelsorge oder ein Krisentelefon an, oder komm in unsere Gruppe – dort bekommst du auf jeden Fall Unterstützung.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ich bin dein Kind – dein Enkel – deine Schwester – dein Bruder – deine Mutter – dein Vater.

Eure Liebe und eure Sorge tun gut. Frag, was du für mich tun kannst. Manchmal ist es nur eine Umarmung oder ein Gespräch. Manchmal ist es das „ganze“ Paket, indem du mich zur Klinik, zum Neurologen oder Psychiater begleitest. Manchmal reicht es, wenn ich weiß, dass du da bist, wenn ich dich brauche. Vergiss nicht, für dich zu sorgen. Es gibt Selbsthilfegruppen für Angehörige im Netz, aber auch im realen Leben.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin eine gute und verlässliche Freundin. Ich bin stark, kann aber inzwischen Schwäche zulassen. Ich helfe sehr gerne, kann aber inzwischen auch „Nein!“ sagen. Ich habe einen ziemlich schwarzen Humor und kann über mich selbst lachen. Ich liebe T-Shirts mit witzigen Sprüchen. Am besten finde ich an mir, dass ich immer wieder aufstehe. Der Tod dauert einfach zu lange, deshalb lebe ich, so lange es geht.

Der Verfasser von Sabines Statement „Geh soweit, wie du sehen kannst – wenn du da bist, wirst du weiter sehen.“ ist unbekannt.