Panta rhei. Oder: Warum der Mut zum Wandel so wichtig ist.

Kürzlich ging ich morgens auf dem Weg ins Büro an unserem Starnberger Bach vorbei, und beobachtete den Reiher, der fast jeden Morgen im fließenden Wasser steht und Ausschau hält. Schön, dachte ich, der Reiher im fließenden Gewässer, das immer ein anderes ist als am Tag zuvor. Und auch der Reiher ist ein anderer als am Vortag.

Alles fließt und nichts bleibt. Die auf eine Formel gebrachte philosophische Grundhaltung vom Vergehen und Werden – oder Werden und Vergehen, die auf den Philosophen Heraklit zurückzuführen ist, wurde von Platon abgewandelt oder erweitert in: Es gibt nur Wandlung. Und um es mit Nietzsche zu sagen, der bekanntlich eher nihilistisch unterwegs war: dies ist eine Bejahung der Vergänglichkeit. Und nochmal mit anderen Worten: Alles, was Leben ist, ist Metamorphose. Nichts bleibt, alles ändert sich. Das Leben – das Sein – ist immer als ewiger Wandel zu begreifen.

Die menschliche Entwicklung, evolutionär über die Jahrtausende hin betrachtet, ist gekennzeichnet durch (physische wie mentale) Anpassung, Flexibilität und Wandelbarkeit – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Aber für unseren mutmachenden Ansatz will ich auf den positiven Aspekt dieser Flexibilität hinaus.

Sowohl ungünstige, schädigende und traumatisierende Umwelteinflüsse aus unserer Umgebung als auch endogene Konstellationen können Einfluss nehmen auf die Saluto- und Pathogenese der menschlichen Psyche (d.h. oben beschriebene Ursachen bewirken die Entstehung von Gesundheit oder Krankheit). In dem Moment, indem ich mich aber als Subjekt Schritt für Schritt befreie aus dem Determinismus aller irgendwie schädigenden Faktoren, in dem ich die nötige Distanz entwickle und mich konzentriere auf die Gesundung, auf den Respekt mir selbst gegenüber im Austausch mit meiner Umwelt, und jene freiheitlichen Bedingungen finde, die sowohl meiner Psyche als auch meiner Umgebung förderlich sind, befreie ich mich aus dem Korsett deterministischen* Gedankenguts. Und damit habe ich also einen Einfluss auf das Geschehen, auf kognitive, emotionale, innerpsychische Prozesse eben. Ich kann die Dinge mitgestalten, egal, ob es sich um eine gesellschaftlich-politische Aktion handelt, ein handwerkliches Tun oder eben auch um mein innerpsychisches Geschehen.

Das Bewusstsein, dass sich alles ändert und alles änderbar und gestaltbar ist, wenn auch nicht immer kurzfristig, nicht immer gleich zum Positiven für mich persönlich – oder messbar, diese Einsicht hat mir zur inneren Freiheit verholfen, die nötig war, um den Fluss zu sehen: alles fließt, alles verändert sich, nichts bleibt. Und das ist gut so. Denn, wenn nichts starr ist, der Mensch sich und jene Gefüge, in denen er lebt, mit denen er zuweilen kämpft und hadert, ändern kann, dann hat er immer die Perspektive auf Veränderungen, die er mitgestalten kann. Wenn ich loslassen kann von Altem, wird der Blick frei für Neues. Wenn ein Schmetterling stirbt, kann ich um ihn trauern, und wissen, es kommt die Zeit für einen neuen, oder statt seiner eine andere Kreatur. Wenn nichts starr ist, sondern alles fließt, kann ich entscheiden, ob ich mich gegen den Strom stelle (was manchmal wirklich nötig ist), oder auch mal mit ihm schwimme. Ich steige niemals zweimal in den gleichen Fluss.

Diese und alle Entscheidungen obliegen mir als denkendes Subjekt, wenngleich meine Wirklichkeit nicht deine ist (es gibt keine objektiv messbare Wirklichkeit). Und das ist auch gut so. So können wir uns austauschen, voneinander lernen: warum wir wann am Ufer stehen und dem Fluss nur zusehen, wann wir mit ihm schwimmen, wann wir Brücken bauen, wann wir gegen seinen Strom schwimmen oder dem Biber neues Staudammmaterial zuwerfen. Ich habe also die Flexibilität. Kraft meines Geistes, die Verantwortung für meine innerpsychischen Zustände zu übernehmen, einen Wandel zum Positiven zu begünstigen oder zumindest daran arbeiten zu können. Wenn ich weiß, dass manchmal ein Stellschräubchen zu drehen ausreichend ist, damit alle weiteren sich drehen, dann begebe ich mich auf die Suche nach dem richtigen Schräubchen und kann den Mut daraus schöpfen, gestaltend eingreifen zu können – und dabei darf der Fluss ruhig weiterfließen.
Und auch der Reiher nimmt am nächsten Tag eine andere Gestalt an, eine andere Haltung – oder mal eine andere Sorte Fisch.

Tina Meffert
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* Determinismus: Unterschiedliche Schulen und Ansätze in der Philosophie, die sich mit dem Begriff „Determinismus“ auseinandersetzen, vertreten gemeinsam die Auffassung, dass alles kausal und vor allem durch Vorbedingungen festgelegt und unabänderbar sei.