Merkur: Mutmachleute: „Die Leute müssen Gesichter sehen“

Artikel im Merkur 26.7.23 zum Mutmachleute Sommerfest

Starnberg – Das Motto der Aktion des Vereins Mutmachleute (www.mutmachleute.de) – „Together against Stigma“ – galt auch für die Teilnehmer der sogenannten Mut-Tour, die sich als Gesprächspartner für einen Austausch beim Fest auf dem Starnberger Kirchplatz zur Verfügung stellten. Sie machten in Starnberg einen Zwischenstopp auf ihrer Radltour von Rosenheim nach Kempten. Sie setzen sich für mehr Offenheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen ein: Bei ihrem Sommerfest auf dem Kirchplatz informierten die Mutmachleute über Tragweite und richtigen Umgang mit Menschen und deren Angehörigen, die zum Beispiel an einer Depression leiden.

Rund ein Drittel der Bevölkerung sei einmal im Leben von eine psychischen Erkrankung betroffen, sagt Tina Meffert, Vorstandsvertreterin und Gründungsmitglied. Bisher habe der Verein hauptsächlich digitale Aufklärungsarbeit geleistet, nun wolle man verstärkt in den öffentlichen Raum gehen. Auf Tour sind die Mutmachleute mit einer Ausstellung, bei der sich 20 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten in Form von lebensgroßen Aufstellern als Betroffene „outen“. Auftakt war im Januar eine Veranstaltung in der Kreissparkasse Starnberg (wir berichteten). „Die Leute müssen Gesichter sehen, um zu verstehen, dass diese Art von Erkrankungen etwas sind, das jeden betreffen kann“, erläutert Tina Meffert.

Immer noch würden psychisch Erkrankte ausgegrenzt und in einer „Mental Health Bubble“ gehalten, so Meffert. Insbesondere im ländlichen Raum kenne man das Phänomen, diese Dinge gern einmal „wegzuschweigen“, aus Angst davor, den Zugang zu gesellschaftlichem Leben mit Familie, Nachbarn, Freunden oder Arbeitskollegen zu verlieren. Es gehe darum, den Betroffenen als Menschen wiederzuerkennen und nicht auf seine Diagnose zu reduzieren. Auch für mehr Therapieplätze oder alternative psychotherapeutische Betreuung wolle sich der Verein stark machen.

Betroffene berichten

Andreas Dasser (55) aus Unterhaching, dessen Tochter nach eigenen Angaben beinahe an Magersucht gestorben wäre und der in Folge an einer Erschöpfungsdepression litt, spricht aus Erfahrung. „Es braucht unbedingt Offenheit und den Mut, Hilfe zu suchen“, sagt er. In der Familie allein könne man so ein Thema nicht stemmen. Häufig ergriffen Eltern aus Unverständnis die falschen Maßnahmen. Andrea Korbjuhn (43) aus Dachau weiß, wie sich die lähmende Schwere einer Depression anfühlt und weist heute anderen Betroffenen als Mutmacherin Wege aus der Krise.

Lucia Koch (61) aus Mainz sieht zufrieden aus, als sie mit ihrem Tandem-Partner und weiteren Teilnehmern der Mut-Tour auf dem Kirchplatz eintrifft. Irgendwie bekomme man den Glauben an die Menschheit zurück, könne Vertrauen aufbauen und Erfahrungen dabei sammeln, dass etwas gutgeht, beschreibt sie. Nach etwa 50 Kilometern pro Tag steuert die Gruppe ein festgelegtes Ziel an und sucht vor Ort spontan nach möglichst kostenfreien Unterkünften. Auch Leute, die nicht so viel Geld haben, sollen teilnehmen können, berichtet Lucia Koch. Für alle Fälle habe man Zelte auf den Tandems dabei. Sehr hilfsbereit seien die Teilnehmer bisher überall aufgenommen worden, nicht selten hätten Mitbürger private Gärten zur Verfügung gestellt.

Weitere Infos unter www.mut-tour.de.

Foto: Dagmar Rutt

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