Angst kann jede*n treffen!

Name: Kai Kämpf-Schemann

Erkrankungsbild: Angststörung

Jahrgang: 1960

Tätigkeit: Ehrenamtliche Mitarbeiterin bei Mutruf

Hilfsangebote: Ich freue mich über Anrufe.

 

Auf welchem Gebiet sind Sie eine Expertin und wieso gerade zu diesem Thema? (z.B. persönliche Erfahrungen)

Ich habe seit meiner frühen Kindheit immer wieder mit Angst zu tun. Den Höhepunkt hatte ich mit Anfang 40 erreicht, danach hatte ich kaum noch Angst und Panikattacken.  Es ging mir teilweise so schlecht, dass ich mein Leben beenden wollte. Ich hätte in dieser Zeit liebend gerne mit jeder körperlichen Erkrankung getauscht und habe zwei Klinikaufenthalte hinter mir, danach für ein Jahr Medikamente genommen, die mich, zusammen mit einer 10-jährigen Psychotherapie wieder auf die Beine gebracht haben

 

Welche Vorurteile bzw. falschen Vorstellungen gibt es in der Gesellschaft zum jeweiligen Erkrankungsbild?

Ich bin auf großes Unverständnis gestoßen, insbesondere seitens meiner Eltern, die immer sehr leistungsorientiert waren. Die Menschen führen Glück und Zufriedenheit oft auf Materielles zurück und können kaum verstehen, dass man Angst haben kann, wenn doch im Äußeren alles perfekt scheint. Andere wiederum führen die Erkrankung auf mangelnde Belastbarkeit und Labilität zurück.

 

Wie helfen Sie betroffenen Menschen ganz persönlich und welche hilfreichen Therapiemöglichkeiten gibt es Ihrer Meinung nach?

Ich helfe Menschen, indem ich über meine eigenen Erfahrungen spreche und mache Mut, dass eine Angststörung gut therapierbar ist. Eine absolute Akzeptanz ist nötig, sich dagegenstemmen und dauerhaft krampfhaft funktionieren zu wollen, verschlimmert die Angst.

Atemübungen, Entspannungsmethoden aber auch Bewegung sind sehr hilfreich, da Adrenalin abgebaut wird. Im Extremfall auch die vorübergehende Einnahme von Medikamenten. Selbsthilfegruppe aufsuchen, telefonische Hilfen in Anspruch nehmen und Psychotherapie.

Niemand muss in einer extremen Angstsituation alleine sein und es gibt immer vorübergehende Hilfe, bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht.

 

In wie weit ist Ihrer Meinung nach eine Heilung, ein gutes Leben mit der Krankheit möglich?

Angstsituationen bewusst aufsuchen und eingehen, um die Erfahrung zu machen, dass körperlich nichts Dramatisches passiert. Gleichgesinnte z.B. in einer Selbsthilfegruppe suchen. Angst sollte nicht verborgen werden, sondern offen darüber sprechen hilft auch Anderen, aus der Reserve zu kommen. Es ist auch wichtig, anzuerkennen, dass man mit dieser Anfälligkeit leben muss, die Angst immer wieder auftauchen kann, man dann aber genügend Techniken entwickelt hat, um damit umzugehen.

 

Welche besonderen Fähigkeiten haben Betroffene?

Sich einfühlen zu können, genau zu verstehen, wie der Betroffene sich fühlt, die Person ernst zu nehmen und nicht als hysterisch einzustufen. Wichtig ist auch, die Betroffenen nicht zu verurteilen oder unangemessene Ratschläge zu geben.

 

Kai arbeitet ehrenamtlich bei Mutruf e.V.