Magersucht, Depressionen, PTBS, Borderline: Es muss nicht erst zu spät sein, um das Recht auf Hilfe zu haben!

Betroffene: Iman

Jahrgang: 2004

Diagnosen: Magersucht, Depressionen, PTBS, Borderline (unterschwellige Diagnose)

Therapien: ambulante Therapie, Stationärer Aufenthalt

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

„Irgendetwas stimmt nicht mit mir“ dachte ich bereits als Kind, denn alle in meinem Umfeld waren irgendwie anders. Die ersten Symptome habe ich schon im Kindesalter gemerkt, jedoch hieß es immer, dass es viel mit der Entwicklung zu tun hat und es nichts ernstes sei. Ich wollte nie Hilfe annehmen, aber wenn ich es wollte, dann wurde sie mir verweigert. Mir selbst eingestanden, dass ich wirklich hilfe brauche, habe ich mit 16, als sich mein Zustand verschlechtert hat und ich nicht wusste, ob ich den nächsten Tag erleben werde. Ich entschied mich dazu die Hilfe anzunehmen doch dann der verzweifelte Schock: 83 Absagen für ambulante Therapien habe ich innerhalb von einem Jahr erhalten und die zuständige Psychiatrie, in der ich nicht nur einmal in der Notaufnahme saß, entschied sich dazu mich nicht aufzunehmen. Als ich endlich eine ambulante Therapeutin gefunden habe, entschied ich mich eine Diagnostik zu machen, bei der ich mit Depressionen Anorexia Nervosa und PTBS diagnostiziert wurde. Fast zwei Jahre später habe ich mich für einen stationären Klinikaufenthalt in einer Psychosomatik entschieden, bei der mein Borderline Verdacht aufkam. 

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Stigmatisierung ist eine Sache, die oft Leben kostet und mich beinah mein eigenes Leben gekostet hätte. Ich dachte immer, dass mir sowas passieren könne, aber als es passiert ist habe ich als selbst Betroffene zu spüren bekommen, wie kaputt und wie stigmatisierend unsere Gesellschaft, aber auch das Gesundheitssystem ist.

 

Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen und sagen, dass es besser werden kann. Ich bin mittlerweile in Recovery und hätte niemals gedacht, dass ich diese Schritte in Richtung Heilung jemals machen werde, aber nun sind sie da. Es kann und wird besser werden, selbst wenn niemand an dich glaubt. Ich tue es und das solange bis du es auch selbst kannst! Bitte gib nicht auf und bitte halte durch! 

Du lebst nicht um zu recovern, sondern du recoverst, um zu leben! 

Dein kleines Ich wäre stolz auf dich!

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Viele aus meinem Umfeld konnten damit nicht umgehen und wollten es dementsprechend nicht sehen. Ich habe viele Menschen, die mir am Herzen lagen, aus meinem Leben verloren, aber auch unterstützende Menschen dazu gewonnen! Ich habe Menschen um mich rum die mich lieben, trotz meiner Schwierigkeiten und dafür bin ich unendlich dankbar. Als ich meine Schule gewechselt habe und mein Abitur auf einem Berufskolleg gemacht habe waren besonders meine Lehrer und meine Schulsozialarbeit für mich da und das an jeden Tag zu jeder Uhrzeit.

Einen besonderen Dank, den ich nicht in Worte fassen kann spreche ich hierbei meiner Mathelehrerin und meiner Schulsozialarbeiterin aus. Danke, dass Sie immer für mich da waren und mein Leben gerettet und mir die Möglichkeit das Leben zu leben gegeben haben.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Tatsächlich mein Umfeld und die ganzen Therapien. „Ihre Erkrankung ist nicht das Problem. Sie sind der Weg wie Sie versuchen das eigentliche Problem zu lösen“ wurde mir mal von meiner Therapeutin in der Klinik gesagt und das hat meinen Blickwinkel in vielen Hinsichten geändert. Ich weiß, dass ich nicht meine Erkrankungen bin, sondern sie nur ein Teil von dem wer ich eigentlich bin sind. Ein Riesen Danke an mein Umfeld, welches mich unterstützt und versucht mir zu zeigen, dass ich nicht durch meinen Erkrankungen definierbar bin. Ich weiß, dass meine Erkrankungen keine Schwäche von mir sind und das ist eine Sache der ich mir super lange nicht bewusst war. 

 


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In Krisen versuche ich zu schauen was für eine Art von Krise es in dem Moment ist und ob ich da alleine wieder raus komme. Wenn ich merke, dass ich mir alleine gerade nicht helfen kann, dann versuche ich mich zu Beginn erstmal an vertraute Menschen aus meinem Umfeld zu wenden und gemeinsam mit denen nach einer Lösung zu schauen.

Was ich euch aber mit auf den Weg geben möchte. Bitte wählt in absoluten Notfällen die 110 oder 112!

Notdienst: 110/112

Telefonseelsorge: 0800 1110111 / 0800 1110222


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Es ist okay, wenn es dir nicht gut geht und du Tage hast an denen du nicht mehr kämpfen möchtest und müde von allem bist, aber es ist so unglaublich wichtig nicht aufzugeben. Irgendwann … ich weiß nicht wann, aber irgendwann wird es besser! Du lebst nicht um zu heilen, sondern du heilst um zu leben, auch wenn es unfair ist so hart kämpfen zu müssen. Du bist nicht alleine, auch wenn es sich oft so anfühlt. Deine Erkrankung loszulassen ist schwer, aber manchmal der einzige Weg, der dich retten kann. Vielleicht wird sie niemals ganz weggehen, aber es ist möglich einen Umgang mit ihr zu finden. Fühl dich ganz dolle geknuddelt. 

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Angehörige/-r einer Person zu sein, die psychisch krank ist, ist unglaublich schwer, ich weiß. Aber bitte macht der betroffenen Person keine Vorwürfe, denn sie es hat es sich nicht ausgesucht. Das Leben mit einer psychischen Erkrankung ist oft härter als es von außen mitzubekommen, auch wenn’s schwierig ist das zu sehen. Wir als Betroffene wollen euch nicht verletzen, aber können damit oft selber nicht umgehen. 

Wenn du jemanden Betroffenen in deinem Umfeld hast, dann versuch die betroffene Person zu unterstützen soweit du kannst. Du wirst sie nicht heilen können, aber du kannst da sein und das ist etwas, dass viele Betroffene in solchen Situationen brauchen. Da sein und versuchen gemeinsam nach Lösungen zu suchen, aber auch die Grenzen respektieren. 

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin hilfsbereit und habe immer ein offenes Ohr für meine Mitmenschen. Ich möchte anderen helfen und habe eine Empathiefähigkeit.

 

Iman ist auf Instagram: @imisrecoverytagebuch