Mutmachleute Julia

Angststörung: Der Sturm wird stärker? Macht nichts, ich auch!

Betroffene: Julia Rabas

Jahrgang: 1987

Diagnosen: Generalisierte Angststörung, Panikstörung

Therapie: Verhaltenstherapie

Ressourcen: Spazieren, Lesen, Yoga, Freundeskreis

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Nach einer langanhaltenden Phase von Stress und Sorgen im privaten Umfeld gepaart mit einem Studium, neben dem ich auch viel gearbeitet habe, schlichen sich 2014 eines Abends Panikattacken in mein Leben. Von jetzt auf gleich wurde mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich konnte nicht mehr schlafen, essen oder aus meinem Bett aufstehen. Ich wusste nicht, was mit mir los war und hatte panische Angst. Seit Anfang des Jahres hatte ich mich schon ausgelaugt und antriebslos gefühlt und litt unter einer depressiven Verstimmung. Im Winter habe ich dann von einem Psychiater die Diagnose „Generalisierte Angststörung“ erhalten. Nun hatte meine Erkrankung endlich ein Gesicht bekommen.

 

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass ich nicht allein mit meiner Erkrankung bin, sich aber viele nicht trauen, darüber zu sprechen. Ich möchte einen kleinen Beitrag zu mehr Offenheit in Gesellschaft für psychische Erkrankung leisten und anderen zeigen, dass man sich nicht verstecken muss.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Ich hatte großes Glück, denn meine Familie sowie mein Freundeskreis hatten großes Verständnis für mich und haben mich bei allem, wie zum Beispiel bei der Suche nach einer Therapeutin, unterstützt. Das tun sie auch noch heute. Denn meine Krankheit begleitet mich nun schon sechs Jahre, in denen es mir mal besser und mal schlechter ergangen ist.

Ich merke, dass sich das Verständnis für psychische Krankheiten innerhalb der Gesellschaft zu wandeln scheint. Wenn auch sehr langsam. Vor allem in meiner Generation gibt es Menschen, die ein ähnliches Schicksal ereilt hat oder die Betroffene kennen und bereit sind darüber zu sprechen, ohne einen zu verurteilen. Das Tatsache, dass es neben körperlichen Erkrankungen auch psychische gibt, rückt gefühlt immer mehr ins Bewusstsein. Allerdings sind dem Grenzen gesetzt. Ich hatte zwar auch bei meinem Arbeitgeber das große Glück, auf Verständnis für meine Lage zu stoßen, doch ich kenne auch Unternehmen, bei denen Betroffene körperliche Erkrankungen vorschieben müssen, da die Wahrheit ein No-Go darstellt. Die eigene Karriere kann dann gleich an den Nagel gehängt werden und im schlimmsten Fall zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Ich würde mir von der Gesellschaft wünschen, dass psychische Erkrankungen genauso akzeptiert werden wie körperliche und dass man keine Angst um seinen Job haben oder Nachteile fürchten muss.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Was mir sehr geholfen hat ist das Verständnis dafür, warum ich krank geworden bin, denn der Mensch möchte immer einen Grund für alles haben. Zudem weiß ich, dass ich damit nicht allein bin.

 


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Wenn mich eine Angstwelle überrollt, dann hilft mir das Gespräch mit meiner Therapeutin oder meinen engsten Vertrauten. Das Aussprechen und Benennen der Dinge, die in mir vorgehen oder mich ängstigen, ermöglicht es mir in einem ersten Schritt genau hinzuschauen. Ich versuche herauszufinden, was hinter der Angst steckt.

Vielleicht ist es ein Konflikt oder eine akute Bedrohung, wie die aktuelle Pandemie? Habe ich dann den Auslöser identifiziert, versuche ich mich zu bewegen. Am liebsten gehe ich im Wald spazieren. Das hilft mir das überschüssige Adrenalin abzubauen. Dann tue ich Dinge, die mir guttun. Ich treffe mich (wenn es geht) mit Freund*innen, sehe meine Lieblingsserie oder gehe z.B. zur Massage. Ablenkung ist sehr wichtig für mich, um mein Gedankenkarussell zu stoppen. Yoga sowie Atemübungen und Achtsamkeit baue ich, wenn es geht, ein.

 


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ihr seid nicht allein und es ist keine Schande oder Zeichen von Schwäche euch Hilfe zu suchen. Es ist ein Zeichen von Stärke!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es für Angehörige sein kann, wenn es der oder dem Partner*in oder Freund*in sehr schlecht geht. Man will helfen, fühlt sich aber auch oft machtlos und leidet mit. Als Betroffene hatte ich oft ein schlechtes Gewissen. Ich wollte so gerne wieder „normal“ funktionieren und niemandem zur Last fallen. Ich denke, das Wichtigste ist gegenseitiges Verständnis und eine offene Kommunikation. Auch für Angehörige gibt es Selbsthilfegruppen oder die Möglichkeit eine Therapie zu machen.

 

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin ein empathischer Mensch und kann mich gut in andere hineinversetzen. Zudem habe ich ein feines Gespür für Stimmungen. Liegt etwas in der Luft, merke ich das sofort. Das kann manchmal sehr von Vorteil sein.