Mutmachleute Laila Winter

Borderline, PTBS und Depressionen: Du bist nicht die Krankheit. Du bist, genauso wie du bist, super und toll!

Betroffene: Laila Winter
Jahrgang: 1994
Diagnosen: Borderline (Emotional instabile Persönlichkeitsstörung), PTBS, rezidivierende Depression, Essstörung, Psychose, Sucht
Therapien: Verhaltenstherapie nach DBT (ambulant und mehrfach stationär)
Ressourcen: kreativ und musikalisch aktiv sein

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich bin nach einer drogeninduzierten Psychose von meinem Professor (FB Psychologie) in die Psychotherapie-Ambulanz der Universität überwiesen worden, weil ich total fertig und neben der Spur in seiner Studienberatung saß. Im Laufe meines wenige Wochen später stattfindenden, stationären Aufenthaltes auf einer geschlossenen Station in einer Psychiatrie wurden die ersten Diagnosen gestellt und ambulant dann später weitere.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Weil es wichtig ist, über psychische Zustände und insbesondere Erkrankungen aufzuklären. Betroffene haben nicht nur häufig selbst Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen und der Akzeptanz ihrer Erkrankung, sondern bekommen von außen auch noch Unverständnis und fehlgeleitete Unterstützungsversuche entgegengebracht, die weniger helfen als Schaden anrichten.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Meine Eltern sind in sehr emotionale Sorge gefallen (innerlich) und haben nach außen hin erstmal alles angezweifelt. “Du hast doch kein Borderline, weißt du eigentlich wie verrückt solche Menschen sind? Das bist du never!” Oder etwas wie “Wenn du eine Essstörung hast, dann habe ich ja wohl auch eine – Und ich habe definitiv keine!” Mein Freundeskreis hat sich erstmal zerschlagen und ist auf Abstand gegangen. Ich hatte niemanden mehr. Vorerst.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

In der DBT (Anm. d. R.: Dialektisch-behaviorale Therapie) lernt man Dinge, die man im aktuellen Moment nicht verändern kann, “radikal” zu akzeptieren (radikale Akzeptanz). Es war sehr hilfreich zu wissen, dass ich endlich eine Antwort auf die Frage gefunden hatte, was mit mir los ist. Das Gefühl anders zu sein und intensiver zu fühlen, sensibler zu sein als die meisten und nicht zu wissen, was los war, hätte mich fast um den Verstand und geradewegs in eine Hypochondrie gebracht. Die Diagnosen, obgleich ich nicht mit ihnen zufrieden war, kamen da gerade recht.

Ebenso hilfreich ist ein Zitat meiner Therapeutin gewesen, welches ungefähr so lautete:

“Es sind nur Wörter, die versuchen einen Teil – und das ist wichtig zu verstehen – nur einen derzeitigen Teil von Ihnen zu beschreiben, den wir als klinisch relevant bezeichnen und ihm einen Namen geben, um uns untereinander besser zu verständigen!”
In meinem Kopf sortierte sich dadurch sehr schnell der Gedanke, eins mit meiner Krankheit zu sein, vom Erleben. Ich hatte das Gefühl, es gibt einmal mich und einmal die Krankheit und nur letzteres galt es zu bekämpfen – denn ich war richtig wie ich war.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich schreibe sehr viel und male. Ich habe ein Buch (autobiographischer Roman) geschrieben, um mich zu „sortieren“ und habe eben das zum Thema des Buches gemacht. Es hat mir sehr geholfen Emotionen wahrzunehmen, sie künstlerisch auszudrücken und sie dann noch mit Wörtern zu beschrieben. Immer wenn ich eine Krise habe, schreibe ich diese auf. So kann ich mich selbst wieder (neu) sortieren.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Du bist nicht die Krankheit. Du hast eine Krankheit und bist, genauso wie du bist, super und toll! Und das kann ich sagen, ohne dich zu kennen! Manchmal verändern uns Dinge in unserem Leben einfach so stark von außen, dass unser Inneres davon zurückgedrängt wird. Kämpfe dich frei! Mobilisiere deine Kräfte und deinen Verstand und lass dich nicht verdrängen! Du bist das Licht, welches ein Teil dieser Erde ist und das wir brauchen!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ich denke es ist wichtig, sowohl für Angehörige als auch für Betroffene, dass keine fehlgeleiteten Hilfsversuche gemacht werden (wie zum Beispiel alles schön zu reden, die Tatsachen zu verleugnen, von sich selbst auf den Betroffenen zu schließen … Denn meist hilft es weder Betroffenen noch Angehörigen), sondern gezielt zu besprechen, worin die Betroffenen sich Hilfe wünschen. Nicht selten kommt dann (zumindest von mir) einfach nur ein: “Mir hat es schon geholfen, dass du mir einfach zugehört hast und mich nicht wegschiebst.” Oder: “Danke, dass du mir geholfen hast einen Arzttermin zu machen, das hätte ich allein nicht geschafft.”

Betroffene sollten offen und ehrlich mit ihrem Erleben sein, zumindest gegenüber den vertrauten Personen. So wissen die Angehörigen, dass sie sich auf die Betroffenen verlassen können. Das entlastet auch Betroffene.

Angehörige sollten meiner Meinung nach darauf verzichten, “gut gemeinte Ratschläge” zu verteilen. Die gehen – zumindest bei mir – zu 99 Prozent nach hinten los. Ich fühle mich dann unverstanden und nicht ernst genommen. Einfach zuhören und dann eventuell mal in den Arm nehmen oder einfach nur mal spiegeln, dass man mein Problem verstanden hat, ist das Beste, was ich in dem Moment gebrauchen kann.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin Synästhetikerin und daher auch sehr kreativ.

Oft verhalte ich mich ruhig und beobachte lieber, aber manchmal “drehe ich total durch” und mache auch mal ordentlich Spaß – das aber eher im vertrauten Rahmen. Ich bin emphatisch und sensibel, kann mich daher auch super in mein Gegenüber versetzten – was auch problematisch werden kann, wenn ich mich nicht mehr spüre, sondern “nur noch” das Gegenüber wahrnehme.