Borderline, PTBS und Depressionen: Jeder Mensch trägt seine Geschichte in sich.
Betroffene: Michaela Mick
Jahrgang: 1986
Diagnosen: PTBS, rezidivierende depressive Störung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Typ Borderline), Panikattacken
Therapien: einmal wöchentliche Einzelgesprächstherapie
Ressourcen: Schreiben, Zeichnen, Fotografieren, Freunde treffen und meine 2019 gegründete Selbsthilfegruppe
„Jeder Mensch trägt seine Geschichte in sich. Wir alle haben Dinge erlebt, welche uns zu dem gemacht haben was wir heute sind. Wir dürfen uns nicht mit anderen vergleichen, sondern müssen auf unsere Last schauen. Denn die eigene Last ist immer die schwerste, unabhängig davon, ob der Mensch vor dir mehr oder weniger erlebt hat als du.“
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
Offiziell diagnostiziert wurde meine Borderlinestörung sowie meine PTBS nach meinem ersten Aufenthalt auf der Akutpsychiatrie im Herbst 2014. Gefühlt hatte ich es schon viel eher, dass etwas nicht in Ordnung ist nur war die Angst zu groß Hilfe zu suchen und anzunehmen.
Die rezidivierende depressive Störung wurde dann im Zuge einer neuerlichen Diagnostik im Jahr 2020 diagnostiziert. Panikattacken wurden erst im Jahr 2022 Teil von meinem Leben.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Weil ich es als unglaublich wichtig empfinde, dass betroffene Menschen aufzuzeigen um ein Zeichen zu setzen, dass niemand da draußen alleine kämpfen muss. Unsere Gesellschaft ist dahingehend schon weiterentwickelt, psychische Krankheiten zu akzeptieren und auch das Gesundheitssystem entwickelt sich auch in eine positive Richtung, aber meiner Meinung nach noch nicht genug.
Viele Menschen fürchten um ihren Job, ihre Kinder, ihre Familie und um ihr soziales Umfeld wenn sie sich Hilfe suchen und annehmen. Diese Angst muss unbedingt abgelegt werden und ich glaube, dass hier die Betroffenen viel mehr bewegen können als Ärzt*innen.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
In erster Linie, denke ich, ist das richtige Wort „Überforderung“. Niemand wusste so recht was das für die Zukunft bedeutet, wie er*sie mit mir umgehen soll. Viele aus dem Freundeskreis haben sich abgewendet, andere haben sich wirklich bemüht zu bleiben und auch zu verstehen.
Mittlerweile sind ein paar Jahre ins Land gezogen und ich gehe mit meiner Krankheit und meinem Weg recht offen um, weil ich es nach wie vor als unglaublich wichtig empfinde. Ich kann mir von meinem Umfeld nur Unterstützung und Verständnis erwarten/erhoffen, wenn ich mich nicht verstecke.
Ich habe auch gelernt zu akzeptieren, dass es da draußen Menschen gibt, die absolut nichts mit psychischen Erkrankungen anfangen können. Mir ist es hier wichtig, dass dies offen aber mit Respekt kommuniziert wird. Es ist schwer etwas zu verstehen und nachfühlen zu können, wenn man es nicht selbst gefühlt hat.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Die Tatsache, meine Krankheiten als einen Teil von meinem Leben zu sehen, aber nie als mein Leben selbst. Ich bin nicht irgendeine Krankheit und auch meine Persönlichkeit ist keine Krankheit. Meine Diagnosen sind meine stillen Begleiterinnen. Manchmal lauter und manchmal leiser. Sie bringen gewisse Muster und Verhaltensweisen in mein Leben, aber mit viel Selbstreflektion und Aufarbeitung schaffe ich es zumindest manchmal mich diesen Mustern und Verhaltensweisen zu stellen. Gelingt mir jedoch nicht immer.
Ich entscheide wieviel Raum ich ihnen gebe und wenn sie sich mal zusammen schließen und laut werden und sich gegen mich stellen, dann akzeptiere ich das und versuche mit Hilfe von Ärzt*innen, Therapeut*innen, Familie und Freund*innen mir die Zeit zu geben, Hilfe anzunehmen um wieder auf die Beine zu kommen.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Ich schreibe sehr viel, vor allem in Form von Gedichten. Habe nun begonnen ein Buch zu schreiben. Ich ziehe mich in Krisensituationen bewusst zurück und gönne mir diese Pause und versuche nicht zwanghaft weiter zu funktionieren. Die Arbeit innerhalb meiner Selbsthilfegruppe und auch der Austausch darin gibt mir auch viel Rückhalt in solchen Phasen meines Lebens.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Es gibt diese dunklen Momente, diese aussichtslosen. Diese Zeiten, wo alles so unglaublich sinnlos erscheint, wo man sich selbst an den Pranger stellt, sich nicht wertschätzen kann und jede Situation im Leben hinterfragt. Wo die Kraft nachlässt die einfachsten Dinge zu tun, ob Haushalt, Finanzen, Hygiene, etc.
Aber wir wissen auch, dass es wieder Zeiten gibt, wo alles funktioniert, zumindest besser funktioniert. Versuch dir in diesen Momenten Erinnerungen zu schaffen. Schmücke dein Haus damit. Versuch dir Mut zu machen und verstecke dich nicht. Kommuniziere klar was du brauchst, was du dir wünscht und was du denkst. Nur so kann dein Umfeld auf dich eingehen und dich unterstützen und scheue nicht davor, dass wenn nichts mehr geht, eine der vielen Akutpsychiatrien aufzusuchen. Dieser Ort ist nicht schlecht, dieser Ort ist nicht verrückt und dieser Ort ist keine Schande. Er ist ein Ort wo man sich fallen lassen kann und unterstützt wird wieder auf die Beine zu kommen um am Leben wieder teilnehmen zu können.
Ebenso kann ich eine Reha absolut empfehlen. Eine unglaublich heilende Reise zu einem selbst, zumindest war es das für mich.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Man muss nicht nachfühlen können, man muss nicht verstehen können, aber man sollte akzeptieren, dass der Mensch gerade Hilfe und Unterstützung benötigt. Floskeln wie „Du hast ja alles“ sind tatsächlich nicht hilfreich. Im Gegenteil, sie führen dazu, dass sich Betroffene noch mehr hinterfragen, was absolut nicht fördernd ist.
Jeder Mensch geht anders mit Gefühlen um, jeder Mensch verarbeitet anders, kein Mensch ist dahingehend gleich. Sei für den Menschen da, leih ihm dein Ohr, deine Schulter, reich ihm die Hand. Und wenn du das nicht kannst, dann sei ehrlich ihm gegenüber aber verstoße ihn deswegen nicht. Es ist okay nicht zu verstehen – es ist nicht okay nicht zu akzeptieren.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich denke ich bin ein sehr hilfsbereiter Mensch – vielleicht vergesse ich dabei auch manchmal auf mich selbst. Empathisch, kommunikativ. Ein offener Mensch, der auf sein Bauchgefühl vertraut und eine gute Menschenkenntnis besitzt.