Borderline und Depressionen: Heilung ist möglich

Betroffene: Lara Gref

Jahrgang: 1990

Diagnosen: Borderline und rezidivierende Depressionen

Therapien: 1 Jahr VT 2010, 4 Jahre VT 2012 bis 2016, 3 Monate stationärer Klinikaufenthalt 2019, aktuell VT seit 2023

Ressourcen: Aufbau eines stärkenden Umfeldes, Auseinandersetzung mit Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität, der Wille und der Glaube zu heilen

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich habe bereits im Alter von 15 Jahren den Verdacht gehabt Borderline zu haben, als ich davon gelesen hatte, allerdings wurde mir das damals von meiner Mutter ausgeredet. Ich entwickelte eine Essstörung, Ängste und Depressionen. Erst als sich ein Schulabsentismus bei mir als Symptom zeigte, reagierte meine Mutter und ich durfte ein Gespräch mit einem Psychologen (worum ich bereits zuvor gebeten hatte) führen. Zunächst bekam ich dann im Laufe der Zeit die Diagnose Depression, die offizielle Diagnose Borderline wurde dann erst 2019 gestellt, bei meinem stationären Klinikaufenthalt – inoffiziell hatte ich das ja bereits gewusst und mir auch dementsprechend Wissen angeeignet und viel selbstständig an meiner Heilung gearbeitet.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich habe mich letztes Jahr am 24.08.2023 entschieden mich nach 10 Jahren ohne Social Media bei Instagram anzumelden und einen Account zu gründen, der anderen Betroffenen Mut auf Heilung machen soll. Ich lebe inzwischen ein sehr stabiles Leben und meine psychische Erkrankung bestimmt nicht mehr mein Leben. Ich habe mehr gute als schwere Momente – ich weiß, wie es sich anfühlt innerlich von seinen Gefühlen aufgefressen zu werden und, dass man denkt, dass sich das nie ändern wird – ich hätte selbst nicht für möglich gehalten, dass es mir jemals so gut gehen könnte wie heute und, dass das nicht nur eine Phase ist.

Nachdem ich selbst so viel Glück und Heilung erfahren habe, ist es mir ein großes Bedürfnis das weiterzugeben und anderen Hoffnung zu machen auf ein schönes Leben – auch mit psychischer Erkrankung. Wir können lernen, damit umzugehen und es sogar so zu integrieren, dass es uns als wertvolle Erfahrung dienen kann.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Ich würde sagen, dass ich mich lange Zeit in einem toxischen Umfeld befand – zunächst meine Familie und danach Menschen, die ich durch diese „Blaupause“ anzog. Diese Menschen haben meine Erkrankung nicht ernst genommen und bagatellisiert.

Ich wurde als Drama Queen betitelt und es wurde mir gesagt, ich solle mich nicht anstellen, ich hätte schließlich nicht Krebs. Freunde zogen sich von mir zurück, wenn sie meinen innerlichen Schmerz nicht aushalten konnten und damit überfordert waren – fingen sogar an mich zu ignorieren oder haben mir die Freundschaft gekündigt. Das waren sehr schmerzhafte Erfahrungen – hatte ich ja bereits keinen Halt in der Familie – im Gegenteil – die Familie ist der Auslöser meiner Erkrankung. Meine erste Beziehung zerbrach dann, weil ich es nicht aushielt geliebt zu werden. Der Teufelskreis brach erst, als 2012 mein jetziger Mann und ich uns kennen lernten. Er war die erste Person, die meine Erkrankung wirklich ernst nahm und sogar die Schritte mit mir ging mich therapeutisch und medizinisch anzubinden. Seine Liebe und seine Unterstützung und vor allem die Erfahrung, nicht wieder verlassen zu werden, haben entscheidend zu meinem Heilungsprozess beigetragen.

Nach all meinen persönlichen Erfahrungen würde ich daher sagen sind das allerwichtigste, dass man Betroffene zum einen Ernst nimmt und zum anderen ehrlich mit ihnen ist.  Wenn das Umfeld  mit der Erkrankung überfordert ist, ist das zunächst nicht vorzuwerfen, man sollte aber so fair sein und mit dem Betroffenen über seine Überforderung sprechen und ihn nicht einfach fallen lassen – denn diese Erfahrung machen Betroffene leider allzu häufig und das ist häufig sogar retraumatisierend.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ganz klar die konstante Auseinandersetzung mit mir selbst und meiner Biografie, sowohl persönlich, wie auch therapeutisch.

 


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich kann glücklicherweise sagen, dass ich mich schon lange nicht mehr in einer richtigen Krise befunden habe – was ich aber super wichtig finde, ich habe vieles in meinem Alltag verändert – was auch einen großen Anteil daran trägt, dass ich auch in Phasen, in denen ich dünnhäutiger bin – stabil bleibe. Ich meditiere und bewege mich regelmäßig und bilde mich weiterhin konstant persönlich und spirituell weiter. Außerdem habe ich mir ein stärkendes Umfeld aufgebaut und den Kontakt zu destruktiven Menschen entweder eingestellt oder auf ein geringes Maß reduziert. Außerdem gibt es mir viel Sicherheit, dass ich eine nette Therapeutin habe. Außerdem hilft es mir zu wissen und mir immer wieder in Erinnerung zu rufen, was ich schon alles geschafft habe.

 


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Begib Dich auf Deinen Heilungsweg! Das ist so so entscheidend! Eine psychische Erkrankung zu heilen, benötigt sehr viel Zeit und noch mehr Arbeit – aber es ist möglich, dass man ein glückliches Leben führen kann – auch mit psychischer Erkrankung. Es ist stark sich professionelle Unterstützung zu suchen und es ist wichtig – denn so wie Du durch äußere Einflüsse erkrankt bist – kannst Du auch nicht erwarten, dass Du einfach von selbst heilst. Die Seele bedarf genauso unserer fürsorglichen Aufmerksamkeit, wie unser Körper.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Bitte nehmt eure Lieben ernst und unterstellt ihnen nicht Faulheit oder Unvermögen. Wenn möglich begleitet sie liebevoll auf ihrem Heilungsweg, dass wäre natürlich optimal, aber wenn euch die Kraft dafür fehlt, dann kommuniziert das und lasst Betroffene nicht einfach ohne Worte im Regen stehen. Ermutigt sie dazu sich Unterstützung zu suchen. Fordert nicht zu viel – nehmt aber auch nicht alles ab.

Ich weiß, es ist nicht einfach, aber es lohnt sich für Menschen, die man liebt, da zu sein – denn nur so kann es für beide Parteien leichter werden. Und das aller Wichtigste: Reden, reden, reden! Und man darf als Angehöriger auch sich selbst schützen und Grenzen setzen, man sollte sich nicht zu viel zumuten und über die eigenen Grenzen gehen, ansonsten wird man leicht zum Co-Patienten.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin liebevoll und fürsorglich – das mag ich am meisten an mir. Ich mag aber auch meinen Mut und meine Zielstrebigkeit, denn ohne diese Eigenschaften, wäre ich heute nicht an diesem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich befinde.

Lara ist auf Instagram: @larashealingjourney