Mutmachleute Depressionen Melina

Depressionen: Liebe kann dir das Leben retten – jeden Tag.

Betroffene: Melina

Jahrgang: 1990

Diagnose: Depressionen mit schweren Episoden

Therapien: Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie mit tiefenpsychologischem Ansatz

Ressourcen: Schreiben, Musik (machen), Spaziergänge, Partnerschaft

  

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Die Diagnose ‚Depressionen‘ bekam ich im Alter von 27 Jahren. Da es mir immer schwerer fiel, meine Emotionen zu regulieren, häufige Wutausbrüche hatte und langanhaltende tieftraurige Phasen, habe ich mich dazu entschieden, eine Verhaltenstherapie zu machen. Nach gut einem Jahr war die Therapie vorbei, mit dem Ergebnis, dass meine Wutausbrüche weniger schlimm waren. Weniger traurig war ich aber nicht. Anfang 2020 habe ich mich dann dazu entschieden, mich noch einmal in therapeutische Behandlung zu begeben, da aus meiner Traurigkeit vermehrt Suizidgedanken wurden und ich mich in meinem Alltag mehr und mehr eingeschränkt fühlte. Diesmal bekam ich die Diagnose der chronischen Depression mit schweren depressiven Episoden. Außerdem wurde der Verdacht geäußert, dass ich hochsensibel bin.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Die Suizidgedanken sind seit knapp einem Jahr ein ständiger Begleiter. Ich bin eigentlich sehr kommunikativ und möchte meine Mitmenschen an meinem Sein teilhaben lassen – Suizid ist allerdings noch immer ein Tabuthema. Ich möchte mich dafür engagieren, das Thema zu enttabuisieren, stehe dabei aber noch ganz am Anfang. Da das Schreiben für mich eine Ressource ist, möchte ich anfangen, auf einem Blog oder gar als Buch über meinen Alltag mit den Suizidgedanken zu berichten. Auf diese Weise, so zumindest mein hoffnungsvoller Gedanke, könnten vielleicht auch andere Personen, die in einer ganz ähnlichen Situation sind, oder jemanden kennen, dem es ähnlich geht, dazu ermutigt werden, das Gespräch über dieses vermeintliche Tabu zu suchen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Für meine Freund*innen und meinen Partner war es keine Überraschung, dass mir Depressionen diagnostiziert worden sind, sie trugen es also mit Fassung. Meine Eltern hingegen waren sehr betroffen, haben aber von Beginn an unterstützend und interessiert reagiert. In meinem Erleben akzeptiert unsere Gesellschaft psychischen Krankheiten mehr und mehr, was evtl. aber auch der Tatsache geschuldet ist, dass es immer mehr psychisch erkrankte Menschen gibt. Meine suizidalen Gedanken teile ich bisher ausschließlich mit meinem Partner und einer guten Freundin, die ihrerseits Psychotherapeutin ist. Da das Thema nach wie vor ein Tabu ist, ist der Umgang damit (so es einen gibt), in meinem Erleben meist sehr ungeschickt. Da wünsche ich mir, dass möglich wird, offener über dieses Thema zu sprechen – möglichst frei von Vorurteilen und vorschnell geäußerten gut gemeinten Floskeln und Ratschlägen.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Definitiv mein Partner. In einer Partnerschaft zu leben, in der ich so, wie ich bin, geliebt werde, empfinde ich als unendlich wertvoll. Mein Partner gibt das Gefühl, dass mit mir nichts falsch ist, dass ich eine liebenswerte und wertvolle Person bin. Dies überträgt sich auch auf mein Selbstbild. Ich bin von Natur aus eine eher selbstbewusste Person, habe aber angefangen, immer mehr an mir zu zweifeln, als meine Depressionen schlimmer wurden.

In den Spiegel zu schauen und mir sagen zu können „Ich werde geliebt“, ist da immer wieder mein Lebensretter.

Eine weitere wichtige Rolle spielt meine Familie. Ich fühle mich von ihr unterstützt und weiß, dass sie immer versuchen wird, für mich da zu sein – sofern ich das auch möchte.


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In Krisensituationen wende ich mich oft an meinen Partner. Es kommt aber auch vor, dass ich allein sein möchte. Oft höre ich Musik oder schreibe Texte, meistens Gedichte oder kurze Essays. Häufig gehe ich spazieren. Das mache ich vor allem im Dunkeln gern, da ich dann im Regelfall niemandem begegne und mich die frische kalte Luft beruhigt.


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Wenn ihr suizidale Gedanken habt, solltet ihr sie nicht für euch behalten. Ob anonym online, über die Telefonseelsorge oder doch mit Personen, die euch nahestehen: Kommuniziert das, was euch durch den Kopf geht. Malt es auf, zeigt eurer Vertrauensperson Songs, Texte oder Bilder, die eure Stimmung und eure Gedanken zum Ausdruck bringen –

kommuniziert auf eine Art und Weise, die für euch machbar ist. Außerdem ist der Weg zur Selbstliebe sehr wichtig. Er kann beschwerlich und lang sein, dabei aber auch wunderschön.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Zeigt der betroffenen Person, dass sie wertvoll und liebenswert ist. Die Krankheit muss einen nicht definieren. Versucht, da zu sein. Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für euch selbst. Als Angehöriger könnt ihr eine Depression nicht heilen. Aber ihr könnt da sein, indem ihr Gespräche anbietet und bei den Dingen helft, die der Betroffene nicht so gut allein schafft.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin meinen Mitmenschen gegenüber sehr aufmerksam und empathisch, kann deren Stimmungen im Regelfall gut einordnen und schaffe somit eine Atmosphäre, in der sich andere mir gegenüber öffnen wollen. Ich nehme meinen Gegenüber ernst und versuche ihm oder ihr das Gefühl zu geben, dass er oder sie wichtig ist. Außerdem mag ich meinen Humor. Ich kann sehr über Situationskomik lachen, liebe Wortwitze und nehme mich selbst oft genug nicht allzu ernst.