Depressionen und Borderline: Bleib stark!

Betroffene: Cäcilia B.

Jahrgang: 1990

Diagnosen: schwere Depressionen, emotional-instabile Persönlichkeitsstörung Borderline Typ, Angststörung, Wolff-Parkinson-White-Syndrom

Therapien: tiefenpsychologisch (stationär) und verhaltenstherapeutisch (ambulante Therapie), Kriseninterventionen (Depressionsstation länger als > 4 Monate), Akutklinik, Psychosomatische Kliniken, Kunst- und Musiktherapie, Gestalttherapie, Bewegungstherapie, Konzentrative Bewegungstherapie, Gruppentherapie, Einzeltherapie, Yoga, Achtsamkeitstraining, Ergotherapie, …

Ressourcen: Tagebuch schreiben, meine Hündin (im Elternhaus) besuchen, ausführen, zeichnen, Musik hören, im Auto abends singen

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Puuuuh gute Frage … 2016 oder so war ich mal, weil meine Eltern mich dazu zwangen, eine Liste mit Telefonnummern von Psycholog*innen und Psychiater*innen durchzutelefonieren, um einen Therapieplatz zu finden, abzutelefonieren, bei einem Psychiater. Die Adresse war sozusagen die letzte Telefonnummer auf der Liste, wo ich nur noch weinend am Telefon hing und dem Psychiater erklärte, wie die Lage ist und er meine letzte Hoffnung, letzte Adresse auf der Liste ist.

Er stellte Depressionen fest. Nebenbei vermutete eine Persönlichkeitsstörung, aber erläuterte dies nicht. Außerdem erwähnte er eine generalisierte Angststörung. Ich hatte nur einmal im Monat oder einmal in zwei Monaten eine Therapiesitzung. Es brachte mir rein gar nichts, außer viel Stress, wegen viel Fahrerei. Ich rutschte in eine Krise zuvor, weil ich von heut auf morgen erfuhr, dass ich mein Studium so nicht weitermachen könne, weil ich meinen Zweitversuch in Medizin, dem letzten dritten Modul im Logopädiestudium nicht mit genügend Punkten schaffte. Ich hätte einen Drittversuch machen können, beantragte auch eine Einsichtnahme, doch durfte man keine Notizen machen, um danach gezielt zu lernen, um sich zu verbessern. Es war aussichtslos, war für mich klar, denn ich hatte zuvor schon wie eine Bekloppte gelernt.

Ich fiel sozusagen in ein Loch. Der Boden unter den Füßen wurde mir weggenommen. Ich musste wieder, aus meiner geliebten neuen Heimat Hamburg wegziehen, zurück nach Hessen, aufs Dorf. Ich weiß noch genau, wie mir selbst Dozenten auf der FH dazu rieten, den Hochschulpsychologen aufzusuchen. Man sah mir anscheinend mein Leiden an. Es war nicht die erste Situation, in der ich in solch ein Loch fiel. Es war bestimmt schon die vierte oder fünfte Situation. Damals kam noch Mobbing dazu, in meiner Kindheit beziehungsweise Jugend, starke Probleme mit Akne und kein Mathegenie. Ich machte verschiedene Ausbildungen, leider nicht zu Ende. Immer kurz vorm Ende, fiel ich in ein Loch, hatte heftige Prüfungsängste und entwickelte Schlafstörungen und Magenschmerzen. Irgendwann vor ein paar Monaten erfuhr ich in 2021, dass ich auch noch an Borderline leide, was die Diagnostik, ein komplexer Test und andere Auswertungen ergaben. Ich kann es immer noch nicht ganz begreifen. Das WPW-Syndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom) habe ich auch noch so nebenbei erfahren, dass ich das habe, als ich gerade vier Monate auf der Depressionsstation in einer psychiatrischen Akutklinik lag. Meine psychologische Verhaltenstherapeutin hat mir nun schon seit Monaten dazu geraten eine DBT (Dialektiv-behaviorale Therapie) stationär, extra für Borderliner zu absolvieren. Für mich war aber klar, dass ich, egal wie, versuchen will, trotz meiner inneren Kämpfe, versuchen will, mein Anerkennungsjahr in der Erzieherinausbildung fertig zu machen. Das war mein oberstes Therapieziel, mein Wunsch.

Ich boxte mich durch, hatte wochenlang, monatelang keine klassische Verhaltenstherapie, sondern eher Stabilisierung als Therapieschwerpunkt (ums reine Überleben, Leben ging es). Außerdem waren meine offiziellen „Urlaubstage“ meist leider, stationäre Aufenthalte, weil ich in schwere depressive Krisen mit Suizidgedanken rutschte. „Urlaub“ hatte ich schon lange nicht mehr.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich habe selbst so viel Horror in den letzten Jahren erlebt, möchte Gleichgesinnte finden und anderen Mut machen, dass es sich lohnt zu kämpfen und ich selbst versuche zu verstehen, dass irgendwo ein Sinn sein muss, warum wir leben.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Nun ja. Es ist nicht leicht, wenn man selbst so von all den Diagnosen überrumpelt wurde und es Zeit braucht, selbst zu verarbeiten, was mit einem los ist. Es war nicht leicht. Es flossen viele Tränen und zu Beginn wollte ich bewusst auch Abstand haben, um mich selbst wieder zu finden. Ich weiß noch genau, wie es war, als meine Mutter auf die Depressionsstation zu Besuch kam, weinte und ich sie tröstete, so, als sei ich die Mutter und würde mich um sie kümmern. Ich fühlte mich so schuldig, dafür, dass ich krank war.

Ich wünsche niemanden dieses schreckliche Gefühl. Es ist ein Selbstschutz, wenn man in diesen Zeiten Abstand möchte und hatte bei mir nichts mit „Ich mag dich nicht, daher will ich dich nicht sehen“ zu tun, sondern eher mit „Ich brauche nun Zeit für mich, Kraft zu tanken“.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich schreibe viel Tagebuch, habe ambulante Therapie, nehme täglich unterstützend Medikamente und vor allem mein Hundi, die bei meinen Eltern lebt. Mir hat der Austausch mit Gleichgesinnten, in Kliniken, in Gruppentherapien oder generell mit anderen Patientinnen und Patienten sehr geholfen. Leider habe ich all das zu Corona-Zeiten erleben müssen, sodass ich auch nicht zu einer, mir empfohlenen Borderline-Selbsthilfegruppe gehen konnte, weil keine in Frankfurt am Main stattfand, wie ich telefonisch auf Anfrage erfuhr.


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Die Telefonseelsorge kann ich sehr empfehlen, aber auch einen Notfall-Skillskoffer. Ich habe leider erst heute eine sehr hohe Anspannung wieder erlebt und mich mithilfe von einem Ammoniak-Riechstäbchen und Finalgon versucht ins „Hier und Jetzt“ zurückzuholen, als ich angefangen habe zu dissoziieren. Schreiben und telefonieren ist auch gut, um das Gefühl von Einsamkeit zu mildern.


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Scheut Euch nicht Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihr seid es wert! Vertraut Euch, wenn Ihr jemanden habt, an und redet über Eure Probleme. Notiert Eure Gefühle, malt Eure Gefühle auf und teilt Euch zum Beispiel der Telefonseelsorge im Chat (mit Termin) oder telefonisch mit, um mit Euren Sorgen besser umgehen zu können und weitere Hilfe zu organisieren. Im Notfall 112.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Macht Euch klar, dass eine Erkrankung auch für den Betroffenen schwer ist zu verstehen. Es ist keine blutende Wunde, die der Betroffene selbst sieht und einfach mal eben so ein Pflaster draufklebt. Mache dem Betroffenen nie Vorwürfe für sein Verhalten, denn es sind Einflüsse wie Genetik, Umwelt, Erlebnisse, Erfahrungen und Familie, die einem zu dem formen, wie man ist.

Wenn jemand jahrelang nur Ablehnung erfahren hat, gemobbt wurde, leidet, kann eine Therapie meist auch nicht schnell nach einem Jahre fertig sein. Es kann Jahre dauern, bis die Psyche, die Seele wieder geheilt oder aufgemuntert wird, stabiler wird. Dem Betroffenen ist nicht damit geholfen, wenn man Sätze sagt wie „Jetzt stell dich nicht so an“ oder „Kopf hoch, das wird schon“ oder „Sei nicht so negativ“. Sätze können teilweise Qualen bei einem auslösen, denn Depressionen hat nichts mit „Faulheit“ zu tun. Es ist eine Erkrankung, genauso, wie ein Beinbruch auch von einem Arzt mit einem Gips behandelt werden kann.

Nur ist eine psychische Erkrankung noch viel komplexer, da sie nicht sichtbar ist und nicht so viel „Mitleid“, „Toleranz in der Gesellschaft“ oder „Genesungswünsche“ erhält wie eine sichtbare Verletzung.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich höre gerne zu, helfe gerne weiter, bin sehr herzlich und sehr kommunikativ. Ich zeichne gerne mit Polychromstiften oder male mit Acrylfarben.

 

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