Depressionen: Was uns nicht umbringt, macht uns erfahrener.
Betroffene: Nicole Lindner
Jahrgang: 1978
Diagnose: Depression
Therapien: Antidepressiva & Verhaltenstherapie
Ressourcen: Schreiben, Freunde und Familie, Natur
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
2010 – bei einem Arztbesuch, nachdem ich über Wochen nicht mehr schlafen konnte, weinerlich war, nichts mehr essen konnte, morgens keinen Antrieb mehr hatte und mich nicht mehr auf meinen Job konzentrieren konnte. Darüber hinaus wälzte ich alle möglichen Probleme hin und her und fand zu keinem Ende. Irgendwann dachte ich: „ich schaffe das alles nicht mehr, ich brauche Hilfe“.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Ich wünsche mir, dass andere Betroffene an meinem Beispiel sehen, dass es immer einen Weg aus der Krise gibt und es darüber hinaus etwas Gutes ist, Hilfe anzunehmen sowie sich über psychische Krankheiten zu informieren. Bei mir ist am Ende sogar etwas Tolles aus der Krankheit entstanden – heute blogge ich, schreibe Bücher und habe mir mittlerweile ein Leben eingerichtet, das viel besser zu meinem Wesen passt als vor der Depression.
Abschließend will ich meine Krankheit auch nicht mehr verheimlichen und mit der Öffentlichmachung dem gesellschaftlichen Stigma entgegenwirken.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
Mein Umfeld wusste zunächst nicht, wie damit umzugehen ist bzw. wie mit mir umzugehen ist. Es herrschte viel Unsicherheit. Trotzdem waren die Menschen um mich herum immer für mich da und bestärkten mich in meiner Krise. Sie halfen mir wieder auf die Beine und ließen mich einfach ich sein, ohne mich verändern oder belehren zu wollen. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar.
In unserer Gesellschaft wünsche ich mir mehr Aufklärung, Offenheit und Akzeptanz. Es darf nicht sein, dass sich viele Betroffene wegen einer psychischen Krankheit schämen und diese totschweigen. Wenn ich mir ein Bein breche, wird das anstandslos akzeptiert. Sage ich, ich habe Depressionen, herrscht meist betretenes Schweigen. Da ist es schwer, offen mit der eigenen Krankheit umzugehen, was übrigens auch die Akzeptanz derselben nicht gerade begünstigt.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Zu wissen, dass ich nicht alleine damit bin und die tolle Unterstützung meiner behandelnden Ärzt*innen sowie Psycholog*innen. Auch eine umfangreiche Informationseinholung über die Krankheit sowie das Wissen um die Ursachen haben mir geholfen. Nicht zuletzt half mir auch das Schreiben eines Buches über meine Krankheit und den Weg da raus, genauso das Bloggen über Themen der Persönlichkeitsentwicklung.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Ich kenne die Anzeichen für einen Rückfall und achte dann verstärkt darauf, mir etwas Gutes zu gönnen (z.B. spazieren gehen, malen, schreiben, schwimmen, Freunde treffen usw.) und mich nicht unter Druck zu setzen. Genauso hinterfrage ich die aktuelle Lebenssituation nach Gründen, die eine erneute depressive Episode begünstigen könnten. Das was mich belastet, versuche ich durch ein offenes Gespräch zu verändern. Hilft alles nichts weiß ich ganz genau, wohin ich mich wenden kann, wenn ich externe Hilfe in Form von Medikamenten oder eines Facharztes benötige.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Ich denke, es ist hilfreich, mit der Krankheit nicht alleine zu bleiben und sich mit anderen auszutauschen. Ebenso sollte man sich bewusst machen, dass es immer einen Weg aus der Krise hinaus gibt, auch wenn das manchmal vielleicht länger dauert und mühsam ist. Ich für meinen Teil habe die Erfahrung gemacht, dass es zum Glück immer menschliche Engel gibt, die einem Betroffenen in der Krisensituation hilfreich unter die Arme greifen. Das ist Gold wert – für die Psyche und die Seele.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Angehörige sollten sich gut über das Krankheitsbild informieren und den Betroffenen nicht drängen, d.h. die Hand reichen und einfach „da sein“. Trotzdem auch auf das eigene Wohl achten und sich regelmäßig Auszeiten nehmen. Es nützt niemanden etwas, wenn die Angehörigen ebenfalls psychische Probleme bekommen, weil sie keine Kraft mehr haben.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich habe ein großes Herz sowie einen sensiblen und mitfühlenden Charakter. Was ich an mir mag ist, dass ich gut zuhören kann mein Gegenüber sich bei mir meist gut aufgehoben fühlt.
Nicole hat eine sehr schöne Homepage, schaut vorbei!