Magersucht und Bulimie: Ich bin nicht nur meine Krankheit, sondern ein eigener Mensch.
Betroffene: Anna Maria
Jahrgang: 2008
Diagnosen: Anorexie (Magersucht), Bulimie
Therapien: (Kognitive) Verhaltenstherapie
Ressourcen: Singen, Freundinnen, Musik, Lesen
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
Ich habe tatsächlich recht früh davon erfahren bzw. gemerkt, dass ich eigentlich eine Essstörung habe und nicht „nur unzufrieden“ mit meinem Körper bin. Zuerst hatten wir das Thema Essstörungen im Biologie Unterricht in der Schule, wo auch Symptome und Verhaltensweisen von verschiedenen Essstörungen vorgestellt wurden. Da habe ich angefangen in Frage zu stellen, ob ich auch betroffen sein könnte, weil sehr viel auf mich zutraf. So richtig eingesehen, dass ich erkrankt bin, habe ich jedoch erst, als Familienmitglieder und Außenstehende mich darauf angesprochen haben und sich Sorgen gemacht haben.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Dazu entschieden habe ich mich, weil ich endlich verstehe, dass meine Krankheit nichts ist, wofür ich mich schämen muss, sondern etwas was Stärke beweist. Leider sind auch so viele Menschen von mentalen Krankheiten betroffen, die keinen Zugang zu Hilfe haben oder zu viel Angst haben, sich anderen anzuvertrauen. Deswegen finde ich es so wichtig, über meine Krankheit zu sprechen und anderen Leuten zu zeigen, dass sie nicht allein sind und Hilfe verdienen.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dirvon deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
Zu Beginn kam nicht wirklich viel Verständnis von meinen Mitmenschen, sondern eher Wut, dass ich nicht „richtig essen“ kann. Das hat mir das Gefühl gegeben, als wäre ich total allein und als wäre ich nicht richtig so, wie ich bin. Aber mit der Zeit hat sich meine Familie über die Krankheit informiert und ich habe viel mehr Verständnis und Empathie erfahren, was wirklich sehr entlastend und hilfreich war. Meine Freundinnen jedoch waren tatsächlich von Beginn an an meiner Seite und haben mir zugehört, das bedeutet mir unendlich viel. Ich wünsche mir jedoch trotzdem von der Gesellschaft, dass wir Menschen mit mentalen Erkrankungen nicht nur auf ihre Erkrankung reduzieren, sondern daran zurück denken, dass wir auch Menschen mit einer Persönlichkeit und mit Gefühlen sind.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Am meisten geholfen haben mir zum einen meine Freundinnen, sie haben mir wirklich so viel Mut gemacht und mir einfach das Gefühl gegeben, ich bin so richtig und toll, wie ich bin – mit oder ohne Krankheit. Aber auch meine Therapeutin hat mich meine Krankheit sehr gut akzeptieren lassen, ebenfalls weil sie immer ein offenes Ohr für mich hat und mir auch das Gefühl gibt, ich bin viel mehr als meine Krankheit. Also insgesamt sind es tatsächlich die Menschen, die mir zuhören und für mich da sind, die mich meine Krankheit akzeptieren lassen.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
In Krisensituationen hilft mir das Singen extrem. Ich nehme seit knapp einem Jahr Gesangsunterricht und habe beim Singen einfach das Gefühl, all meine Probleme verschwinden zu lassen und in eine andere Welt abzutauchen. Aber auch Musik allgemein ist total hilfreich. Sobald ich meine Kopfhörer aufsetze und Musik abspiele, bin ich in einer anderen, besseren Welt und ich fühle mich direkt besser und verstanden.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Ihr seid nicht alleine. Es gibt so viele Menschen, die Ähnliches oder Gleiches durchgemacht haben undeuch verstehen. Ihr seid so richtig, wie ihr seid und so viel mehr als eure Erkrankung. Sich helfen zu lassen,ist nicht schwach, ganz im Gegenteil – es zeigt wie stark ihr eigentlich seid.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Hört den Betroffenen zu und seht es nicht als „Phase“, so gebt ihr Betroffenen das Gefühl ernst genommen zu werden. Habt einfach immer ein offenes Ohr für die betroffene Person, wenn er/sie weiß, gehört und gesehen zu werden, kann das allein schon sehr hilfreich sein.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich würde sagen, dass ich sehr emphatisch bin und immer versuche mich in andere Personen ,,reinzufühlen“, um ihnen das Gefühl zu geben, gesehen zu werden. Ich schätze das an mir ehrlich gesagt sehr, weil ich auch durch meine Krankheit sehr viel gelernt habe, besonders, wie ich für andere Menschen da sein kann und ich immer mein Bestes gebe, dass sie sich akzeptiert fühlen, so wie sie sind.:)
Anna Maria ist auf lnstagram: @annamariagnt