PTBS und ADHS: Manchmal ist Lachen die beste Therapie – und wenn das nicht reicht, hilft Schreiben.
Betroffene: Ulrike Parthen
Jahrgang: 1968
Diagnosen: PTBS und ADHS, leider erst mit Ü50 erkannt, CFS
Therapien: Mehrere Klinikaufenthalte – erfolglos. Mehrere ambulante Therapien – erfolglos. Notaufnahme, kurze Stippvisite in der Geschlossenen. Nach langen 40 Jahren Fehlbehandlungen helfe ich mir inzwischen selbst mit den intuitiven Drauflos-Romanschreiben.
Ressourcen: Schreiben, Natur, Humor.
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
Mit 15 wurde ich offiziell auffällig. Und dann gleich das volle Programm. So komische Sachen wie Panikattacken, eine Menge Ängste, Übelkeit, die gar nicht mehr verschwinden wollte. Dazu Magenschmerzen, Kopfweh und Pipapo.
Es folgte ein glanzvoller Einstieg in die Welt der Heilung, da ich eine Menge Kliniken, Therapeuten, Psychologen quasi gnadenlos verschliss.
Ganz clevere Leutchen hätten vielleicht auf die Idee kommen können, dass da irgendwas mit der Diagnose nicht passte. Kam aber niemand. Im Gegenteil! Viele Mediziner und Therapeuten gaben sogar mir die Schuld, dass das mit meiner Genesung nicht klappen wollte. Misshandlungen inklusive.
Drum wurde mir bereits in jungen Jahren die Goldmedaille umgehängt mit der Aufschrift „Anti-Erfolgsstory im Bereich psychotherapeutischer Behandlungen“. Heute weiß ich: Das konnte ja nix werden, weil sämtliche Behandlungsansätze in die völlig falsche Richtung liefen.
Als mit Ü50 endlich die richtigen Diagnosen kamen, fragte ich mich kurzzeitig schon: Hab wirklich ich einen an der Waffel, wie mir das 40 Jahre lang eingebläut wurde – oder eher diejenigen welchen, die mich nie ernst nahmen? Sei’s drum!
Dann habe ich mir überlegt:
„Uli, was machste jetzt?“
Erste heulte ich, weil mein Leben halt schon arg verpfuscht war durch die lange Zeit der Fehlbehandlungen. Aber half ja alles nix. Also packte ich meinen Galgenhumor und die Tastatur aus und half mir selbst – mit den intuitiven Drauflos-Romanschreiben. Das ist seit einigen Jahren nun auch mein Job, wenn ich als Autorin, Ghostwriterin oder Schreibcoach z.B. Menschen begleite, die ihr Leben in einen spannenden Roman packen wollen. Ich, die wegen der traumatischen Erfahrungen vor jedem Arztbesuch noch immer fast kollabiert vor Angst, helfe nun (unter anderem) auch Ärzten, die ebenso zu meiner Kundschaft zählen. Tja, das Leben hat einen verdammt guten Sinn für Humor.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Wenn mir noch einmal jemand sagt „Kopf hoch, wird schon“ bzw. „Denk doch einfach ein bissel positiver“, frag ich ihn, ob er schon mal mit Betonklotz an den Füßen versucht hat, elegant zu schwimmen.
Was ich damit sagen will:
Auch wenn das Thema inzwischen nicht mehr ein so großes Tabu ist wie zu meinen Anfängen, herrscht immer noch eine Menge Unwissenheit, Verständnislosigkeit, Unsicherheit? Wie soll’s auch jemand verstehen, der’s nicht kennt? Meine Erfahrungen sind die: Je selbstbewusst offener ich damit umgehe, desto leichter wird’s. Für mich und die anderen.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
Als die ganze Odyssee mit 15 anfing: Das Umfeld, vor allem meine Familie, reagierte völlig verständnislos – das blieb leider so.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
- Die richtigen Diagnosen
- Mein Humor
- Meine Offenheit im Umgang
- Das Schreiben.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
- Humor.
- Das intuitive Drauflosschreiben.
- Kurze Irritationen fürs Gehirn.
- Lachen.
- Atemübungen.
- Selbsthypnose.
- Fantasie.
- Mit jemanden quatschen.
- In den Wald gehen.
- Hündin Wuschel kraulen.
- Mir laut im Spiegel Blödsinn erzählen.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Wir können uns so viel mehr selbst helfen, als wir glauben. Ich habe vor einigen Jahren entdeckt: Wenn ich intuitiv schreibend lustigen „Unfug“ mache, erwacht meine kindliche Fantasie aus dem Tiefschlaf, die wie Dornröschen zwar keine hundert Jahre, aber doch sehr lange tief und fest schlummerte.
Dabei merkte ich: Es passierte etwas in meinem Leben. Nämlich ziemlich viel Gutes. Die Problemchen ließen sich viel besser ertragen. Manche verschwanden sogar, ohne sich zu verabschieden.
Will heißen: Das kindlich fantasievolle Herumspinnen schafft neue neuronale Verbindungen im Gehirn. Statt ständig auf denselben ausgetretenen Pfaden zu wandeln, guckt es sich auch mal auf anderen Wegen neugierig um. Und das kannst du auch, weil’s keine Raketenwissenschaft ist. Dein Gehirn wird den Spaß lieben. Dein Körper sowieso! Und das ist der Anfang von bergauf.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Nehmt die Probleme eurer Lieben ernst, auch wenn ihr sie nicht nachvollziehen könnt. Und wenn ihr euch damit überfordert fühlt, sucht euch selbst Hilfe in Form von Gesprächen oder ähnlich.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Meine Neugier Fantasie, Stehaufmännchen-Qualität, Willenskraft sowie natürlich mein Humor. Und wenn eines so sicher ist wie das Amen in der Kirche, dann das: Als Meisterin der Improvisation fällt mir immer irgendein Plan B, C oder D ein.
Ulrike hat eine Homepage und ist auf Instagram.