PTBS, Depression, Borderline & Angststörung: Ich gebe niemals auf und sehe grundsätzlich das Gute in jedem Menschen.
Betroffene: Christiane Brose aka Knoppes Landseestern
Jahrgang: 1985
Diagnosen: PTBS; Schwere rezidivierende Depression, Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Angst-/Panikstörung, Soziale Phobie, Essstörung
Therapien: DBT, Verhaltenstherapie, Botox bei Bedarf (Stichwort Biofeedback)
Ressourcen: Bodybuilding, mein Mann, mein Welpe
Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?
Diagnostiziert wurde meine Störung 2013. Für mich stand aber schon ‚immer‘ fest, dass ich irgendwie anders bin. Ich war eher ruhig, still, in mich gekehrt, depressiv. Hatte wenig bzw. keine Freunde. Ich hatte und habe oft das Gefühl die menschliche Art der Kommunikation, die Mimik, Gestik und Sprache, einfach nicht richtig verstehen zu können. „Nicht richtig sozialisiert“ würde man bei einem Hund sagen.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Es ist wichtig sich selbst treu zu bleiben und an sich zu glauben. Ich stehe zu mir und meinem Dämon und seinen „Special Effects“. Wem das zu viel ist, der hat in meinem Leben nichts zu suchen. Ich bin sehr offen, was meine Erkrankungen angeht.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?
Es wäre gelogen, würde ich sagen, dass ich durchweg positive Erfahrungen gemacht habe. Menschen, bei denen ich mir sicher war, sie würden mich unterstützen, mir helfen und jeder Zeit für mich da sein, waren es auf einmal nicht mehr. Menschen, bei denen ich geglaubt habe auf Unverständnis zu stoßen, zeigten sich sehr offen und hilfsbereit.
Ich möchte, dass meine Erkrankung ernstgenommen wird. Jeder von uns hat leider schon gehört: „Ach komm, so schlimm kann es doch nicht sein.“ „Was würden Sie tun, würden Sie in Afrika leben?“ – Ja, das hat mir mal ein Psychiater gesagt. Das ist nichts, was uns weiterhelfen kann, ganz im Gegenteil. Man fühlt sich nur noch wertloser. Aber um grundsätzlich etwas am Umgang mit psychisch Kranken zu ändern, müssen die Menschen informiert werden. Es ist einfach zu abstrakt, sich vorzustellen, etwas nicht zu können, was doch alltäglich ist bzw. sein sollte.
Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Ich habe angefangen ein Tagebuch zu schreiben, erst stichpunktartig, dann in kurzen Sätzen. Im Zuge meiner Verhaltenstherapie wurde daraus eine Art Tagesprotokoll. Im letzten Jahr habe ich dann angefangen einen Onlineblog zu schreiben. Dadurch habe ich gelernt, mich und mein Verhalten zu reflektieren. Ich habe gelernt – bzw. lerne ich, mit mir besser umzugehen, auf mich und mein Bauchgefühl zu hören. Dadurch fällt es mir leichter (mal mehr mal weniger) diese Erkrankungen als Teil von mir zu betrachten.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Das ist eine schwere Frage. Was mir gestern geholfen hat, kann mich heute ins Bodenlose triggern. Am meisten hilft es mir, über meine Krise zu sprechen. Ich spreche viel mit meinem Mann. Über meine Gedanken und meine Gefühle. Aber auch über seine Gedanken und Gefühle. Dieser Austausch – auch wenn er gelegentlich recht heftig wird – hilft mir ungemein, mich zu erden.
Ansonsten habe ich Bodybuilding für mich entdeckt. Ich war schon immer davon fasziniert. Inzwischen habe ich ein kleines „Homegym“ und bin mindestens 5x die Woche am Eisen. Ich will nicht auf die Bühne. Ich mache es nur für mich.
Ich bin überzeugt davon, dass ein starker Körper auch einen starken Geist mit sich bringt und ich so langfristig immer besser darin werde, meinen Dämon im Zaum zu halten, es sich vielleicht eine gewisse friedliche Koexistenz entwickelt.
Vor einer Handvoll Wochen ist ein kleiner Welpe bei mir eingezogen. Ich hatte vorher schon Hunde, musste aber vor einem Jahr meine alte Hündin einschläfern lassen. Bis heute ist das ein harter Brocken für mich. Mein kleiner Lex Barker (ja, genau, the one and only Old Shatterhand – mein absoluter Kindheitsheld) wird von und mit mir zum PTBS-Assistenzhund ausgebildet werden. Ich setze viel darauf. Zurzeit bringt es mich fast ausschließlich an meine Grenzen.
Ich gehe aber auch aktiver auf andere Menschen zu, suche nach Foren, anderen Blogs, Gruppen – nach Gleichgesinnten – und ich sage, wenn mir etwas nicht gefällt oder etwas nicht in Ordnung ist.
Bei all den Scherereien, die ich momentan wie einen Magneten anziehe, hat mir Lex doch mein Lächeln zurückgebracht.
Außerdem hilft mir in Krisensituationen mein Mann. Bei ihm fühle ich mich sicher, verstanden und aufgehoben. Er hat mich in meinem absoluten Weltuntergangschaos kennengelernt. Er war da für mich. Hat mich bei sich aufgenommen als ich mit einem Bein auf der Straße stand. Nimmt mich in die Arme, wenn ich tobe und wüte. Er ist mein Anker. Als ich ihn das erste Mal sah, wusste ich, dass ist der eine Mann mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will. Vor drei Jahren haben wir dann in den schottischen Highlands geheiratet – das war unglaublich.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Gib nicht auf und lass dich nicht unterkriegen! Es stehen jeden Tag eine Menge Menschen auf, die einfach nicht verstehen können, wie sich unser Leben, unser Erleben, unser Alltag anfühlt und was sie mit gut gemeinten Tipps, Ratschlägen oder einfach auch nur mit unbedachten Worten anrichten können.
Du kannst und wirst deinen Weg finden. Lass dich nicht entmutigen, wenn dich dein Dämon zu Boden wirft. Nur so kannst du stärker werden. Nur so kannst du lernen, mit Dir selbst zu leben und dich zu lieben.
Hört sich theoretisch toll an. Ich weiß, dass es praktisch eine unheimlich harte Lektion ist. Wenn dir danach ist, dich in deinem Bett zu verkriechen, dann tu das. Aber gib nicht auf.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Sprecht miteinander und sucht euch professionelle Hilfe von außen! Ob Depression, Borderline oder eine andere Krankheit, es ist wie ein Sog und kann geliebte Menschen einfach mit hineinziehen. Es ist wichtig, dass sich die Angehörigen auch distanzieren können. Sich selbst eine Auszeit nehmen können. Es ist für beide Seiten eine unheimlich belastende Situation. Scheut euch bitte nicht, selbst einen Psychologen aufzusuchen. Sprechen, einfach sprechen. Mein Mann und ich sind eine Zeitlang gemeinsam zu meinem Verhaltenstherapeuten gegangen. Es war in dieser Dreierkonstellation oft unheimlich produktiv und hat zu einem enormen Austausch geführt. Seid offen und ehrlich zueinander.
Und SPRECHT miteinander! Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Ein jeder macht sich seine Gedanken. Sprecht sie aus.
Nichts ist schlimmer als gärende unausgesprochene Worte – sie entwickeln einfach ein Eigenleben. Man distanziert sich. Sprecht! Keine Anschuldigungen, keine Beschuldigungen.
Einfach offen und ehrlich seine Gedanken, Gefühle, Ängste und Sorgen aussprechen. Sie besprechen. Man lernt so unheimlich viel über sich selbst und andere.
Ein anderer wichtiger Punkt, den ich für mich finden musste, ist, sich von Menschen zu trennen, die einem nicht guttun. Für eine Weile oder für immer. Das bleibt jedem selbst überlassen. Da gehe ich inzwischen keine Kompromisse mehr ein.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich gebe niemals auf und ich gebe jedem eine Chance und auch eine Zweite. Ich glaube grundsätzlich an das Gute im Menschen. Ich denke, dass ich auch – sofern mein Dämon und seine „Special Effects“ es zulassen – ein wirklich humorvoller und lustiger Mensch bin. Ich versuche zu helfen, wo ich kann, offen und ehrlich zu sein und mir selbst treu zu bleiben.
Christiane bloggt auf: Knoppes Blog.