Angststörung, Depressionen, Emetophobie: Du bist nicht allein.
Betroffene: Maren
Jahrgang: 1994
Diagnosen: Angststörung, Depressionen, Emetophobie
Therapien: Gruppentherapie, Verhaltenstherapie, Schematherapie, Klinikaufenthalte
Ressourcen: Familie, Freunde, Haustiere
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
Mit circa 15/16 Jahren begann ich, depressiv zu werden, oft Zuhause zu sein und sehr traurig zu sein. Ich hatte damals große Probleme damit, die Trennung meines ersten Freundes und den damit einhergehenden Verlust meines Freundeskreises zu verkraften. Ich war auch generell irgendwie anders als die meisten meiner Mitschüler und Freunde (oft traurig verstimmt usw.). Außerdem hat sich ungefähr in diesem Zeitraum meine Emetophobie so richtig entwickelt, ich habe aber erst nach 1-2 Jahren herausgefunden, dass es eine anerkannte Phobie ist und dass es einen Namen hat. Meine Mutter hat damals zum Glück erkannt, dass ich in Depressionen/depressive Phasen und starkes Selbstmitleid gerutscht bin und hat für mich einen Termin bei einer Therapeutin vereinbart.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Da meine psychischen Probleme als Teenager begonnen haben, musste ich mit ihnen die Schule, Studium, Ausbildung und auch das Berufsleben bezwingen und gerade in der Schule war es unglaublich schwer, da man, gerade wenn man sowieso nicht besonders beliebt ist, sehr große Probleme hat, wenn man „anders“ ist. Man kommt sich abnormal vor, ist sich vielleicht auch gar nicht bewusst, dass es psychische Krankheiten gibt und ist sehr einsam, weil man glaubt, man ist mit diesen Problemen ganz alleine und ist „abnormal“. Als ich in die Jugendpsychiatrie kam war es für mich ein überwältigendes Gefühl, Jugendliche und Kinder kennenzulernen, denen es genauso ging wie mir und ich hatte das Gefühl, irgendwo anzukommen und einen Platz zu finden, an dem ich so sein konnte, wie ich bin. Diese Community hat mir sehr viel Kraft gegeben und ist meiner Meinung nach super wichtig. Ein Teil wichtiger Teil der Krankheit, der Therapie und der Heilung ist, die Krankheit und sich selbst zu akzeptieren. Sich nicht als abnormal oder gestört zu sehen.
Es ist daher meiner Meinung nach so unglaublich wichtig, dass mentale Probleme und Krankheiten bekannter werden, dass die Gesellschaft und die Menschen informiert werden, damit sie Verständnis entwickeln, damit die Stigmatisierung endlich aufgelöst wird und Betroffene sich nicht abnormal, wertlos, benachteiligt fühlen oder Angst haben müssen, sie selbst zu sein und mit ihrer Krankheit offen umzugehen.
Daher möchte ich mein Gesicht zeigen, meine Geschichte erzählen und Teil einer Bewegung sein, die dabei hilft, Betroffene zu unterstützen und Stigmata aufzulösen.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
Damals in der Schulzeit, als meine Krankheit angefangen hat, wussten nur meine engsten Freunde und meine Familie davon. Ich habe meinen damaligen Freundeskreis (auch durch andere Umstände) verloren, man hat gemerkt, dass ich bei ihnen irgendwie unbeliebt wurde, weil ich langweilig war, auf Partys eher traurig rumsaß und man mit mir kaum Spaß haben konnte. Kaum jemand von ihnen hat sich gefragt, ob vielleicht etwas Ernsteres dahinter stecken könnte oder ob es mehr als nur der damalige Liebeskummer war. Ich habe aber zum Glück richtige Freunde gefunden, die sich dafür interessiert und mich unterstützt und akzeptiert haben. Meine Mutter war diejenige, die gemerkt hat, dass etwas nicht stimmt und einen Termin beim Therapeuten vereinbart hat. Sie und meine Familie haben mich in allem unterstützt.
Heutzutage sind die meisten Reaktionen sehr positiv, wenn ich mich neuen Personen gegenüber mit meiner Krankheit öffne. Oft hört man dann, dass die Person selbst solche Probleme hat/hatte oder Betroffene im eigenen Umfeld hat. Natürlich gibt es auch Leute, die einen einfach so akzeptieren, wie man ist aber sich nicht besonders für das Thema der psychischen Krankheiten interessieren, was auch okay ist. Wenn ich Personen begegne, die diesen Themen gegenüber herablassend, belustigend etc. sind, weiß ich meist schon, woran ich bin und dass ich das in meinem Leben nicht brauche.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Sich selbst bzw. seine Krankheit zu akzeptieren kann ein langer und schwieriger Prozess mit Höhen und Tiefen sein. Ich selbst habe es nach 10 Jahren immer noch nicht geschafft, es völlig zu akzeptieren und vor allem mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin. Mir hilft es, mich mit Menschen zu umgeben, die mir ähnlich sind und mir das Gefühl zu geben, dass ich gut so bin, wie ich bin. Noch viel mehr hilft mir der Austausch mit anderen Betroffenen. Es tut gut, sich nicht alleine zu wissen, sich gegenseitig aufzufangen, zu bestärken, zu trösten und Erfahrungen und Ratschläge auszutauschen. Außerdem hilft es mir, nach Außen (z.B. auf der Arbeit oder gegenüber Menschen, die ich gerade erst kennenlerne) offen über meine Krankheit zu sprechen und mein „Gesicht zu zeigen“, damit ich für mich selbst und meine Krankheit einstehe und eventuell sogar für etwas mehr Aufklärung sorgen kann.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
In Zeiten, in denen es wirklich richtig schlecht ist, wende ich mich an Familie, Freunde, Ärzte und Therapeuten. Das sind Zeiten, in denen ich merke, dass die Depressionen und die Ängste so stark sind, dass ich Unterstützung brauche, weil ich mir alleine nicht helfen kann und meine Gedanken dunkler werden. Das sind aber dann wirklich Krisensituationen.
Im Allgemeinen helfen mir verschiedene Dinge an meinen schlechten Tagen oder in meinen schlechten Momenten, es hilft nicht immer das Gleiche. Manchmal hilft mir Zeit mit geliebten Personen, mich abzulenken, mir Serien oder Filme anzuschauen. Es gibt aber auch Momente, in denen ich einfach alleine sein möchte, die traurigen Gedanken und aufgestaute Gefühle einfach mal rauslasse und versuche, sie zu verarbeiten. Meine Haustiere sind oft auch ein großer Trost oder eine emotionale Stütze, Entspannungsübungen/-videos oder ASMR-Videos helfen mir oft, mich runter zu bringen und mich zu entspannen.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Auch wenn es manchmal schwer ist, das zu glauben: ihr seid nicht alleine und ihr seid nicht abnormal oder gestört. Es gibt so viele Menschen da draußen, die unter psychischen Krankheiten leiden und denen es genauso geht wie euch. Steht für euch ein, öffnet euch, seid ehrlich, sucht Hilfe, umgebt euch mit Menschen, die euch gut tun und streicht Dinge aus eurem Leben, die toxisch sind.
Es wird viele Menschen geben, die mit Unverständnis oder sogar Spott reagieren, aber es wird auch Menschen geben, die einem Verständnis, Unterstützung, Empathie und Fürsorge entgegenbringen sowie viele die sagen werden. „Echt? Ich habe auch psychische Krankheiten!“.
Die Krankheit ist ein Teil von uns, aber sie definiert uns nicht und sie macht uns erst recht nicht schlechter als andere Menschen. Die Akzeptanz und der Umgang mit psychischen Krankheiten in der Gesellschaft ist noch lange nicht so, wie er sein sollte. Deswegen müssen wir uns zeigen, für uns einstehen, informieren und gegen die Stigmata kämpfen.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Einerseits: Seid offen, unterstützend (in dem Rahmen, der euch möglich ist!), interessiert am Thema der mentalen Gesundheit. Fragt die Betroffenen, ob und wie ihr helfen könnt, versucht Verständnis zu zeigen. Informiert euch über psychische Krankheiten und versucht, die Stigmata in der Gesellschaft zu bekämpfen. Auch wenn es wichtig ist, dass man niemanden zu etwas zwingen kann, ist es manchmal nötig, die Betroffenen etwas zu pushen und sie dazu zu ermutigen, auch mal Dinge zu tun, die ihnen schwer fallen. Man merkt aber in der Beziehung und der Beziehungsdynamik miteinander, inwieweit das sinnvoll ist und ob man dem Betroffenen damit hilft oder schadet. Kommunikation ist das Wichtigste.
Andererseits: Auch wenn es extrem schwer ist: schützt euch selbst indem ihr akzeptiert, dass ihr manchmal nicht helfen könnt, dass ihr niemandem den Schmerz abnehmen könnt. Sucht keine Schuld bei euch und bitte nehmt bestimmte Krankheitsbilder und Verhaltensweisen nicht persönlich, das ist sehr wichtig. Auch wenn es wichtig ist, anderen zu helfen, müsst ihr euch selbst auch schützen, ihr seid keine Ärzte oder Therapeuten. Helft in dem Rahmen, in dem ihr es könnt und wendet euch wenn nötig darüber hinaus an professionelle Hilfe. Gegebenenfalls auch für euch selbst, wenn ihr mit der Situation nicht zurecht kommt. Sucht eventuell Kontakt mit anderen Angehörigen oder bei Anlaufstellen für Angehörige. Kommuniziert offen und ehrlich mit den Betroffenen, wie ihr euch fühlt und was ihr braucht. Manchmal sind betroffene so in ihrem Kopf, ihrer Welt, ihrem Leid gefangen, dass sie (ohne es bösartig zu meinen) nicht merken, was in ihrem Umfeld oder in ihren Angehörigen so vorgeht.
Akzeptiert euch selbst und die Betroffenen und helft mit, mehr Akzeptanz für diese Krankheiten zu etablieren.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich denke, was ich am meisten an mir schätze ist, dass ich nie aufgebe und immer weiter mache, egal wie mies es oft läuft. Ich möchte versuchen, Menschen zu erreichen, Menschen zu helfen und – auch wenn es nur ein minimaler Anteil sein wird – meinen Teil dazu beizutragen, dass der Umgang mit psychischen Krankheiten in der Gesellschaft besser wird und dass die Welt dadurch ein Stück besser wird. Es ist vielleicht eine utopische Vorstellung aber ich schätze an mir, dass ich etwas verändern möchte.
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