Angststörung und Depressionen: Es ist nicht zu schaffen – ich mache es trotzdem! Denn ich habe keine Wahl.

Betroffener: Heiko Paschen

Jahrgang: 1964

Diagnosen: Generalisierte Angststörung, Depressive Episoden

Therapien: Mehrfach stationär; seit 7 Jahren ambulant tiefenpsychologisch

Ressourcen: Radfahren, die beste Frau der Welt, meine Kinder, Radfahren

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Als ich meinen 50. Geburtstag gefeiert habe, fühlte ich mich körperlich, beruflich und privat auf dem Zenit meines Schaffens. Vielleicht war das der Zenit, denn danach erfolgte in kürzester Zeit ein totaler Zusammenbruch. Ich hatte zunehmend Ängste, bis ich mich eines Tages nicht mehr aus dem Haus traute. Es ging mir körperlich sehr schlecht wie bei einer Grippe – doch ohne Husten und Schnupfen. Lediglich massive Gliederschmerzen und eine ausgeprägte Traurigkeit, die ich zu dem Zeitpunkt jedoch nicht wahrnehmen konnte. Ich tauschte am Tag das Bett gegen das Sofa. Als ich am dritten Tag zur Ärztin ging, bekam ich dort einen völligen Nervenzusammenbruch.

Ich habe extrem geweint und war geschockt über mich selbst: der starke Mann, der alles schafft, den nichts und niemand stoppen kann – plötzlich ein Häufchen Elend, kraftlos, weinend – nicht mehr ich, wie ich mich bislang kannte.

Doch noch konnte ich der Ärztin nicht folgen, mich drei Wochen krank zu schreiben. Sie hat mir offen gesagt, dass das klassische Symptome eines Burnouts sind. Doch noch immer fand ich den Monatsabschluss wichtiger und meinte, in der nächsten Woche wieder im Büro zu sein. Doch recht bald wurde mir klar, dass ich diese Lebenskrise ohne massive Hilfe nicht bewältigen würde. Zum Glück bekam ich schnell einen Platz in einer Klinik, in der ich acht Wochen blieb. Direkt im Anschluss ambulante Therapie.

Es dauerte fast zwei Jahre, bis ich wieder anfing zu arbeiten. Ich wechselte den Arbeitgeber und damit das Umfeld. Von der Wirtschaft in die Wissenschaft, um meinen Neuanfang auch äußerlich zu dokumentieren und zu unterstützen. Das war sehr gut und ich fühlte mich hervorragend. Dennoch hatte ich vier Jahre später einen erneuten Rückfall. Wieder Klinik und wieder ambulante Therapie. Nun kämpfe ich mich wieder zurück in mein Leben.

Heute weiß ich, dass ich eine frühkindliche Traumatisierung erfahren habe, die ich nur deshalb überlebt habe, weil ich meine Gefühle großteils abgespalten habe. Diese Gefühle muss ich mir nun mit Ende 50 erarbeiten.

Es ist nicht zu schaffen. Ich mache es trotzdem. Denn ich kann nur weiter Leben, wenn ich lerne, Schmerz und Angst anzuerkennen. So werden sie ganz allmählich kleiner.

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich bin krank, obwohl ich gesund aussehe. Damit andere verstehen, wie es mir geht, muss ich darüber sprechen. Ich möchte andere Menschen mit psychischen Erkrankungen ermutigen, darüber zu sprechen. Nur so kann man Hilfe von anderen bekommen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Wenn jemand aufgrund einer körperlichen Erkrankung Einschränkungen hat, gibt es im Beruf und im öffentlichen Leben viel Verständnis und Unterstützung (bspw. Rampen für gehbehinderte Menschen). Das wünsche ich mir auch für psychische Erkrankungen: Verständnis und praktische Unterstützung.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Die Aussicht auf Jahre, in denen ich einen leichteren Umgang mit der Erkrankung finde und so ein schöneres Leben führe.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Meditation, Medikamente, Gespräche, Radfahren

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Du musst Dich entscheiden: mit der Erkrankung arbeiten oder ein Leben in Angst und Dunkelheit führen.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Die Erkrankung des anderen annehmen, selbst wenn Du sie nicht verstehen kannst. Das macht es für beide leichter.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Das Streben nach Klarheit ist Teil meiner DNA. Damit habe ich alles geschafft, was ich in meinem Leben erreicht habe. Meine eigene Erkrankung zu akzeptieren ist der größte Akt der Selbstliebe, den ich in meinem bisherigen Leben zu bewältigen hatte.

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