Borderline & Essstörung: Das Leben mit einer psychischen Erkrankung ist eine Herausforderung, aber niemals ein Grund zum Aufgeben!
Betroffene: bettinas_kunstspiel
Jahrgang: 1970
Diagnose: Borderline-Persönlichkeitsstörung, Ess-Störung, Benzodiazepine-Abhängigkeit
Therapie: u.a. Psychoanalyse, Konzentrative Bewegungstherapie (KBT), Gesprächstherapie, Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Ressourcen: meine Meerschweinchen, Fotografieren, meine diversen Social-Media-Kanäle, Lesen
Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?
Die Diagnose Borderline erhielt ich mit 20 Jahren während einer meiner ersten Aufenthalte in einer geschlossenen Psychiatrie.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Ich hatte schon vor rund 10 Jahren begonnen, eine Art Buch über meine Kindheit und die daraus resultierende Borderline-Störung zu schreiben – damals war ich aber noch nicht bereit, Gesicht zu zeigen. Letzten Herbst beschloss ich, auf meinem Instagram-Profil über meinen Alltag mit Borderline zu schreiben. Es hat sich auf natürliche Weise ergeben, dass ich Gesicht gezeigt habe und ich empfinde es fast als eine Art Pflicht als Betroffene über die Störung zu informieren – so kann man den eigenen Leidensweg in etwas Positives verwandeln.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?
Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Mein Umfeld, also meine Familie, war dysfunktional und meine Erkrankung änderte nichts daran. Ich hatte mich nach Beendigung der Schulzeit von allen freundschaftlichen Kontakten distanziert, daher hatte ich im eigentlichen Sinne kein Umfeld.
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen mich offen ansprechen, wenn sie von meinem Verhalten überfordert sind. Dass sie nachfragen und sich nicht abwenden, wenn sie von meiner Diagnose erfahren.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Oft hadere ich noch mit der Borderline-Erkrankung, vor allem in beruflicher Hinsicht, weil ich aufgrund der Erkrankung finanziell abhängig von Ämtern bin. Es hilft mir aber zu sagen, dass ich immer wieder versuche, das Bestmögliche aus dem Leben mit einer Borderline-Störung zu machen.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Anwendung von Skills aus der DBT; mein durchstrukturierter Tagesablauf und das Wissen, es wird wieder besser werden, all das hilft mir in Krisensituationen.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Niemals, wirklich niemals aufzugeben!
Ich war sehr oft ganz unten und sogar Therapeuten hatten mich aufgegeben.
Psychisch Kranke sind im Grunde sehr starke Menschen mit einem großen inneren Potenzial. Wir machen uns so oft klein und schwach – ich möchte anderen Betroffenen Mut machen und ihnen sagen, dass sie ihr Leben trotz allem auskosten sollen und können.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Das lässt sich einfach beantworten, ist jedoch sicher sehr oft schwer umsetzbar bzw. schwer aushaltbar: seid einfach für uns da. Wir wollen nicht, dass ihr uns Ratschläge gebt oder uns rettet.
Was wirklich hilft, ist das Wissen, dass es jemanden gibt, der zu uns steht und zu dem wir in Krisen gehen können, ohne uns erklären zu müssen.
Wichtig ist aber, dass Angehörige nicht für uns Verantwortung übernehmen und sich stattdessen klar abgrenzen. Nach dem Motto: „Bis hierhin und nicht weiter“. Denn nichts ist schwieriger und schlimmer als „unklar“ definierte Beziehungen, welche dann letztendlich unweigerlich in Enttäuschung und Vertrauensverlust enden.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Das ist eine Frage, bei der sich Borderliner besonders schwer tun. Ich will es trotzdem versuchen: Was ich in Zeiten, in denen es mit gut geht, an mir schätze, ist Geduld und Empathie. Andere sagen, ich sei sehr sympathisch, wirke sehr selbstbewusst und offen.
Bettina hat einen Facebook Blog:
Kunstspiel : vom Leben mit Borderline und ist auf Instagram: kunstspiel_borderline.
Foto: privat