Rezidivierende depressive Störung: Liebe mich am meisten, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am dringendsten.

Betroffene: Sarah Stückrath
Jahrgang: 1983
Diagnose: Rezidivierende depressive Störung
Therapie: Psychiatrie, Medikamente, Verhaltenstherapie, systemische Therapie
Ressourcen: Yoga, Freunde und Familie, vor allem mein Mann und mein Baby

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Ich bekam die Diagnose Depression 2008 nachdem es mir zum ersten Mal über längere Zeit sehr schlecht ging. Auslöser war damals eine Kieferoperation, die sich als Ärztepfusch herausstellte und durch welche sich mein Gesicht ästhetisch zum Negativen veränderte. Ich empfand das als Veränderung meiner Identität und konnte das Ergebnis nicht annehmen. Zwischenzeitlich wurde ich zwar nochmal von einem anderen Arzt operiert und der Fehler wurde zum Teil korrigiert, das Thema brach bei mir jedoch psychisch immer wieder auf. In 2018 bekam ich außerdem eine Wochenbettdepression nach der Geburt meines Sohnes.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich möchte offen zu mir und meiner Krankheit stehen, um zu zeigen, dass jeder gut so ist, wie er ist, ob mit oder ohne psychische Erkrankung. Ich wünsche mir, dass Depressionen gesellschaftsfähig werden, sodass die Leute mehr darüber wissen und die Akzeptanz steigt.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Meine Familie und Freunde haben verständnisvoll reagiert und mich unterstützt wo es nur ging. Trotzdem habe ich gemerkt, dass sie nicht nachempfinden konnten, wie ich mich fühle, weil sie selbst noch nicht in einer solchen Situation waren. Ich wünsche mir von meinem Umfeld, dass sie mir und meiner Krankheit ohne Vorurteile begegnen und sich dafür interessieren, wie ich mich als Depressive fühle. Niemand kann wirklich beurteilen, was man selbst durchmacht, da er/sie nicht in meiner Haut steckt.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Mir hat die Psychotherapie am meisten geholfen, meine Krankheit und ihre Ursachen zu verstehen und damit umzugehen, und mich persönlich weiterzuentwickeln. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen hat mich weitergebracht. Geduld zu haben und die Gewissheit, dass wieder bessere Zeiten kommen, waren auch wichtig für mich. Außerdem habe ich Bücher gelesen über die Thematik sowie Lebensgeschichten von Menschen, die Schwierigkeiten überwunden haben und dadurch sogar stärker wurden. Darüber hinaus hat es mir geholfen, mich auf Dinge zu konzentrieren, die mir gut tun, z.B. Yoga oder Freunde treffen.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich wende mich an meine Psychotherapeutin, hole mir Unterstützung bei meinem Mann sowie bei meiner Familie und Freunden. Und ich vertraue auf meine innere Stärke.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Holt euch professionelle Unterstützung und begebt euch auf den Weg zu euch selbst. Es ist besonders wichtig, herauszufinden, was euch gut tut und was nicht. Steht offen zu eurer Krankheit und schämt euch nicht dafür. Denkt daran, dass ihr nicht alleine seid.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Bitte habt Geduld und Verständnis gegenüber Betroffenen. Sie haben sich die Erkrankung nicht ausgesucht und brauchen euch am meisten, wenn es ihnen am schlechtesten geht. Ich verstehe trotzdem, dass Angehörige auch manchmal an ihre Grenzen stoßen. Das sollten sie dann ehrlich äußern und sich genügend um sich selbst kümmern.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin eine sensible und eher introvertierte Person. Ich bin humorvoll, geduldig, offen und einfühlsam gegenüber anderen. Leider bin ich oft auch zu selbstkritisch. Am meisten schätze ich an mir meine Fähigkeit, durchzuhalten und immer wieder aufzustehen, so schwierig es auch wird.

Foto: privat