Borderline und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung: Solange ich noch lache, lebe ich noch.

Betroffene: Finja

Jahrgang: 2004

Diagnosen: Borderline, ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung

Therapien: zweimal stationäre Therapie auf DBT-Station, momentan ambulante Therapie

Ressourcen: Musik hören, backen, zeichnen, Charaktere designen, die Teile von mir widerspiegeln, die sonst schwer zu zeigen sind und diese Charaktere in ihrer eigenen ausgedachten Welt zeichnen

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich hatte schon mein Leben lang mit meiner Psyche gekämpft, es lange mit Witzen weg gelacht und meine mentalen Probleme jahrelang versucht zu vermeiden oder zu tun, als würden sie gar nicht existieren. Ende 2022 in meinem FSJ hat mich das jahrelange Runterschlucken meiner Probleme endlich eingeholt. Ich litt unter Burnout und meine selbstschädigenden Gedanken wurden immer schlimmer, sodass ich mich im Oktober 2022 in einer stationären Klinik als Krise für vier Wochen eingewiesen habe. Dort bekam ich dann die Borderline-Diagnose. Dann im Februar 2023 war mein zweiter Aufenthalt, diesmal für drei Monate. Dann bekam ich meine zweite Diagnose: die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich finde die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung wird nicht so oft besprochen wie andere psychische Krankheiten, was dazu führt, dass ich mich oft mit meiner Diagnose bzw. der Kombination der Diagnosen nicht gesehen fühle.

Das sind zwei so unterschiedliche Störungsbilder mit so variierenden Symptomen, da kann es sich manchmal anfühlen, als wären zwei verschiedene Wesen in mir drin, die unbedingt die Kontrolle über mein Leben haben wollen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Meine Freunde haben mich immer unterstützt und dafür bin ich sehr dankbar. Die Kollegen vom FSJ haben hautnah meinen schlechten Zustand gesehen und sich so für mich gefreut, als ich mir endlich Hilfe geholt hab.

Aus meiner Familie ist meine große Schwester die einzige Person, mit der ich darüber offen reden kann, da meine Eltern der Hauptgrund für meine nicht so prickelnde Kindheit sind.

Mit meinen jetzigen Kollegen in meiner Ausbildung bin ich nicht sehr offen darüber, da ich die noch nicht so lang kenne und deren Charaktere nicht wirklich einschätzen kann.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Es war und ist immer noch sehr schwer meine Krankheiten zu akzeptieren. Ich weiß manchmal nicht, wie viel von meinem Charakter ich selber bin und wie viel meine Krankheiten mich ausmachen. Deswegen benutze ich oft meine Zeichnungen, um bestimmte nicht so schöne Gedanken/Impulse auszudrücken, wenn ich es nicht schaffe sie in Worten zu formulieren. Meine Zeichencharaktere sind wie Äste, ich bin der Baum und sie sind der Teil, der aus mir raus ragt und trotzdem in ihre eigene Richtung wachsen.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In meinen Stationsaufenthalten habe ich mir wichtige Skill Ketten und Fertigkeiten erarbeitet. Ammoniakampullen, Akkupressurringe und meine vielen verschiedenen Geruchsöle habe ich immer in meiner Skilltasche direkt an meiner Seite. Sonst hör ich auch oft laut Musik oder male Bilder, die grade meine Stimmung zeigen.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Was mir oft hilft sind meine Charaktere und das Zeichnen. So hab ich ein Hobby, aber auch gleichzeitig ein kreatives Outlet und ich bin so froh, dass ich nie mit Zeichnen aufgegeben hab. Vielleicht könntet ihr das für euch selber auch ausprobieren. Was ich euch auch sagen will ist:

Danke, dass ihr euch meine Antworten durchlest. Ich hab noch nie wirklich so offen über meine Geschichte geredet. Lasst euch nicht von euren Diagnosen definieren, so wie ich es eine Zeit lang gemacht hab. Ihr seit mehr als eure Krankheit. Ja, es stimmt, sie ist da, man kann sie leider nicht einfach wegdenken, sie wird ein oft den Tag ruinieren, sie kann einen machtlos fühlen lassen. Aber es wird auch gute Tage geben, man wird sein Mut wiederfinden, man wird seinen Vorlieben wieder nachgehen und man wird wieder aufstehen um weiter zu kämpfen. Und das finde ich wundervoll.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Habt immer ein offenes Ohr für eure Mitmenschen. Wenn du ihnen zeigst, dass du sie lieb hast und dass du dich um deren Gemüt sorgen machst – glaub mir – das kann Wunder bringen.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich fühle mich oft wohler, wenn ich meine Freunde zum Lachen bringen kann und irgendwie Wege finde, sie auch nur für ein Moment von deren Leiden ablenken zu können. Ich glaub, dass ist eine schöne Eigenschaft an mir und ich hoffe, dass ich noch viele Male meine Freunde aufmuntern kann, denn sie sind alle so wunderschön. <3

 

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