Borderline und PTBS: Neben dem Verlangen, nach den Sternen greifen zu können, ist es ebenso von großer Bedeutung, immer wieder in die Tiefen seiner Selbst abzutauchen.
Betroffene: Gloria
Jahrgang: 1991
Diagnosen: komplexe PTBS und Borderline
Therapien: Einzel- und Gruppentherapie und Klinikaufenthalt
Ressourcen: Sport, Schreiben, Achtsamkeit
Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?
Ich hatte schon von klein auf das Gefühl, dass etwas mit mir nicht stimmt. Aufgrund meiner Kindheit und den vielen Beziehungsabbrüchen war ich schon sehr früh bei Psychologen, allerdings nie von langer Dauer. Im Januar 2021 bin ich dann in eine Klink nach Bad Kissingen gegangen. Dort habe ich beide Diagnosen bekommen.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Ich habe mich unglaublich für meine Diagnose geschämt. Die ersten Wochen, als ich meine Diagnose Borderline schwarz auf weiß hatte und mich damit befasst habe, war das für mich eine unglaubliche Zerreißprobe. Ich habe mich zurückgezogen und hatte das Gefühl nicht mehr lebensfähig zu sein.
Hier Gesicht zu zeigen ist zum einen ein Befreiungsschlag, denn ich weiß mittlerweile, dass ich mehr als diese Krankheit bin. Zum anderen will ich allen, die mit dieser Diagnose konfrontiert sind zeigen, dass es ein Weiterkommen gibt.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?
Ich habe hier keine klare Antwort. Denn mit der Krankheit wurden viele vorausgegangene Konflikte mit meiner Krankheit erklärt. Das war für mich sehr belastend und verletzend. Es war ein langer Prozess, in einem Strudel voller festgefahrener Muster und Emotionen, klare Sicht zu schaffen. Manche Beziehungen sind dadurch zerbrochen, andere hingegen sind fester geworden, da auf beiden Seiten das Verständnis größer geworden ist und jede*r Verantwortung für die gemeinsame Beziehung übernimmt.
Von der Gesellschaft wünsche ich mir nicht das Böse hinter der Krankheit Borderline zu sehen, sondern den Menschen, der darum kämpft, in die Gesellschaft zu passen und dazuzugehören.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Es gibt immer mal wieder Höhen und Tiefen in der Annahme meiner Krankheit, dennoch hat es mir extrem geholfen herauszufinden, was ich zudem bin und was mich zudem ausmacht.
Aber auch die Auseinandersetzung mit mir selbst sowie meine Verantwortung, die den Umgang mit der Krankheit betrifft.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Das Alleinesein und mich selbst zu spüren, ist eine der größten Ressourcen. Immer wieder den Punkt finden, um mit mir selbst in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Aber auch das Festhalten an bestimmten Gewohnheiten, die meinen Alltag strukturieren.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Du hast eine Krankheit, aber du bist nicht die Krankheit. Die Zeit dich mit deiner Krankheit auseinanderzusetzen ist wichtig, verdopple dennoch die Zeit dich mit Dingen zu beschäftigen, die dir guttun und nichts mit deiner Krankheit zu tun haben.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Lasst die Krankheit nicht zu einem Monster werden, über das entweder geschwiegen oder gestritten wird.
Nehmt gemeinsam an Trialogen teil, setzt euch Zeiträume, in denen ihr abschalten könnt, zusammen und unbedingt alleine. Es gibt keinen Schuldigen, lediglich darf sich jede*r seiner Verantwortung für sich selbst und in der jeweiligen Beziehung bewusst machen.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Ich bin eine sehr starke Persönlichkeit, egal was mir passiert ist, am Ende habe ich mich immer wieder auf die Beine gestellt.
Ich bin sehr feinfühlig und kann mich gut in andere Leute hineinversetzen. Ich bin offenherzig und trage meine Gefühle direkt auf meinem Gesicht, was manchmal sehr anstrengend ist, da ich eben nicht die Eigenschaft besitze, Gefühle im selben Moment zu neutralisieren, um diese nicht gleich preiszugeben.