Buchvorstellung. Gefühle im Schleuderprogramm – oder: Wie erklärt man einem Kind psychische Erkrankungen?
Zwei Bilderbücher für Kinder möchten wir euch heute vorstellen, die den ganz jungen Rezipienten auf sehr kindgerechte Art und Weise psychische Erkrankungen erläutern.
„Mama, Mia und das Schleuderprogramm“ von Christiane Tilly und Anja Offermann schildert, wie es sich für Mutter und Kind anfühlt, wenn Mama eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung hat. Pepita Wertig vermittelt in „Was ist bloß mit Pepita los?“ eindrucksvoll das Auf und Ab der Gefühle einer Mutter, die an einer bipolaren Störung erkrankt ist.
Es kann einfacher sein, als man denken möchte, das Wesentliche einer psychischen Erkrankung einem Kind zu erklären. Kinder sind grundsätzlich offen und authentisch, sie stellen Rückfragen und verstehen Bilder oder Metaphern sehr gut – oft besser, als wir Erwachsenen ihnen zutrauen würden. Dabei muss es nicht um die Einzelheiten und konkreten diagnostischen Kriterien gehen, an denen ein erwachsener Elternteil leidet oder mit denen er zu kämpfen hat. Ein Kind kann gut verstehen, was in Mama oder Papa vorgeht, wenn man es ihm – kindgerecht – erklärt.
Eltern, die psychisch krank sind, müssen sich nicht schämen – aber sie sollten mit ihren Kindern offen darüber sprechen. Dabei steht im Vordergrund, zu vermitteln, dass nicht das Kind schuld ist, sondern eine psychische Erkrankung hinter einem zuweilen vermeintlich unerklärlichem Verhalten der Eltern steht!
„Mama, Mia und das Schleuderprogramm“ – Kindern Borderline erklären
Mias Mama ist oft unzuverlässig, hält sich nicht immer an Abmachungen und verletzt sich in Mias Abwesenheit selbst. Die Nachbarn kümmern sich um Mia, wenn die Mama gerade einfach nicht kann. Dass es aber nicht so weitergehen kann, wird beiden allmählich klar. Die Psychiaterin spricht mit Mia und ihrer Mutter über die Krankheit Borderline, und darüber, warum es ihrer Mutter manchmal so schlecht geht. Gemeinsam erkunden sie die Welt der Gefühle und vergleichen sie mit dem Schleuderprogramm der Waschmaschine. Nach dem Schleuderprogramm sind alle Sachen durcheinander geraten, und man muss sie sortieren und einzeln betrachten, um zu erkennen, ob es sich um eine rote Socke oder ein graues T-Shirt handelt. Ein urtypisches Problem, mit dem Menschen mit einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung zu kämpfen haben: das Durcheinander der Gefühle und das Regulieren von Emotionen. Daran müssen Betroffene meist mithilfe von Therapien, arbeiten. Mama und Mia finden durch das offene Sprechen über die Krankheit zueinander und finden einen guten Weg, dass es Mama besser geht und Mia klar wird, dass sie sich nicht so sehr um ihre Mama sorgen muss.
Besonders mutmachend an diesem Buch ist, dass Lösungen gezeigt werden und es Hilfen gibt für Mama und für Mia: ein gutes soziales Netzwerk, Ärzte und Therapeuten als auch Selbsthilfegruppen, an die beide sich wenden können. Mias größter Wunsch, beim Zirkus mitzumachen, kann somit schlussendlich auch erfüllt werden.
„Was ist bloß mit Pepita los?“ – Kindern die Bipolare Störung erklären
Mama Pepita hat die bipolare Störung, die sich manchmal negativ auf das Familienleben auswirkt. Trotz ihrer Krankheit arbeitet sie sehr viel, und Papa muss dann den Haushalt machen. Oft macht sich die Familie Sorgen, da Pepita Schlafstörungen hat und ihre „beiden Monster“ sie zuweilen quälen. Wenn es ihre Zeit zulässt, erklärt sie ihren Kindern ihre Gefühle mit den beiden Monstern: das eine lässt sie „vom Himmel hoch jauchzend“ erscheinen, und das andere macht sie „zu Tode betrübt“.
„Leider habe ich eine Krankheit. Ich habe das Noah mal erklärt, dass ich so ein Monster habe, gegen das ich kämpfen muss, weil es mir meine Gefühle klaut. In Wirklichkeit ist da aber noch ein anderes Gespenst, es mach mich lustig und übermütig. Es erschreckt andere und auch mich selbst.“
Dabei ist es für die Kinder wichtig zu erfahren, dass sie nicht schuld sind an den Stimmungsschwankungen ihrer Mutter und vor allem, dass sie nicht verantwortlich dafür sind. Dass Mama Hilfe von einem Arzt bekommt, mit dem sie regelmäßig über ihre Probleme spricht und von dem sie eine „Medizin“ bekommt. Die meisten Sorgen kann Pepita ihrer Familie nehmen, indem sie zeigt, dass sie Selbstfürsorge betreibt, auf ihre Frühwarnzeichen achtet und ein gutes Ressourcenmanagement betreibt: wenn es ihr nicht gut geht, trinkt sie eine Tasse Tee oder malt Bilder; wenn sie nicht mehr aus dem Bett kommt, kann sie immerhin die Zeit nutzen und mit ihren Kindern kuscheln. Sie macht Sport und achtet auf genügend Schlaf, und kann sich mit ihren Kindern kreativ beim Malen auslassen.
Eine mutmachende Geschichte, die zeigt, dass bipolare Eltern sehr gut für ihre Kinder sorgen können – wenn sie für sich selbst sorgen und jeder auf den anderen und seine Bedürfnisse aufpasst.
Christiane Tilly und Anja Offermann: Mama, Mia und das Schleuderprogramm. Illustrationen von Anika Merten. Erschienen 2016 bei Kids in BALANCE (Balance buch + medien verlag). ISBN: 978-3867390750
Birgit Maria Groitl: Was ist bloß mit Pepita los? Illustrationen von Eleonore Gerhaher. Erschienen 2016 im Eigenverlag. ISBN: 978-3000543906
Text: Tina Meffert
Foto: Maximilian Laufer