Mutmachleute Chris Gust

Chris Gust vom Mutruf e.V.: Eine helfende Hand oder ein verständnisvolles Gespräch, eben das Wissen, dass man nicht alleine ist, kann Wunder bewirken.

Name: Chris Gust

Jahrgang: 1973

Betreut Klient*innen: ja

Hilfsangebote: Mutruf e.V. und Lebensberatung aufgrund meiner Erfahrungen

 

Welche persönliche Krisenerfahrung hast du als (ehemalige) Betroffene gemacht? Auf welchem Gebiet bist du eine Erfahrungsexpertin geworden?

Über viele Jahre waren Angst & Panik 24/7 meine Begleiter und ich musste lernen, was meine Seele mir damit sagen will. In der Zeit habe ich gefühlt mein eigenes kleines Studium abgeschlossen, um Hintergrundinformationen und Therapiemöglichkeiten zu erlernen. Damit mir ja niemand etwas anmerkt, habe ich mich durch alles durchgekämpft, erst später habe ich gelernt, das Kampf der falsche Ansatz ist. In Sachen Ängste macht mir deshalb so schnell niemand etwas vor. Gnadenlose Selbstreflektion und das Aufdecken meiner ganz persönlichen roten Fäden und Prägungen war ein wesentlicher Bestandteil meines Weges.

 

Was ist deine Motivation gewesen, eine ExIn-Ausbildung zu absolvieren und nun Menschen zu helfen?

Meine Schule ist das Leben, es hat sich aufgrund meines Outings und meiner Projekte ergeben, dass viele Menschen mich kontaktieren und um Rat/Unterstüzung bitten. Das tue ich mit meinen verschiedenen Projekten: Bilderserie „colours of SOUL of colours“ (in der auch Prominente Gesicht zeigen), Bücher („Du bist so viel mehr als Deine Angst“, erschienen im Oktober 2019; mein zweites Buch zum Thema erscheint planmäßig zu Leipziger Buchmesse 2021) und „Mutruf“- einander Halt geben eV, dem Telefondienst für Panikler, um in den Köpfen der Gesellschaft für Betroffene etwas zu bewegen.

 

Welche Vorurteile bzw. falschen Vorstellungen gibt es in der Gesellschaft zum jeweiligen Erkrankungsbild, das auch dich betroffen hat?

Das ist pauschal schwer zu sagen, weil vieles gar nicht offen ausgesprochen wird, man aber als Reaktion beim offenen Umgang damit spürt, dass es in den Köpfen arbeitet. Oft ist es ein Distanzieren anschließend, was das bestärkt.

Viele denken zum Beispiel, Menschen mit einer Angststörung sollte man lieber nicht einstellen. Dabei ist Ausgrenzen meiner Meinung nach mit das Schlimmste, was passieren kann. Wenn wir mit sinnvollen Dingen und Aufgaben beschäftigt sind, hat auch das Kopfkino weniger Raum. Bei entsprechender Aufklärung würde eine andere Akzeptanz entstehen und der Druck, sich nichts anmerken zu lassen, würde wegfallen. Auch, dass Menschen „die so eine Kopfsache haben“, sich nur mal richtig zusammenreißen müssten, ist eines von vielen Vorurteilen, aber wohl oft aus Unsicherheit.

 

Wie hilfst du betroffenen Menschen in Einrichtungen ganz persönlich und welche hilfreichen Therapiemöglichkeiten gibt es deiner Meinung nach?

Ich hatte schon meine Leben lang irgendwie eine Art unsichtbares Schild auf der Stirn, auf dem sowas wie „Kummerkastentante“ stand, das manche Menschen magisch angezogen hat. Durch meinen offenen Umgang mit diesem Thema seit einigen Jahren ist das noch viel mehr geworden. In meinen Malkursen können die Menschen sich intuitiv dem Prozess des Malens hingeben, ich bin keine ausgebildete Maltherapeutin, aber für viele bin ich das wohl mit meinem Wesen.

Außerdem helfe ich, indem ich mit meiner Arbeit etwas in der Gesellschaft bewege und in die Öffentlichkeit gehe. Mein Buch bekommt sehr viel positives Feedback, weil Betroffene sich endlich verstanden fühlen, ich denke, das zweite wird ebenso sehr hilfreich für viele Betroffene.

Der Telefondienst Mutruf – einander Halt geben e.V. ist eine Mensch-zu-Mensch-Initiative. Ehemals selbst Betroffene bieten nun ehrenamtlich anderen Paniklern eine verständnisvolle Gesprächsmöglichkeit an. Wir stellen keine Diagnosen und ersetzen keine Ärzt*innen oder Therapeut*innen, aber wir sind da und bei uns muss sich niemand schämen, weil wir wissen, wie sich das anfühlt.

Mehr über Chris Gust findet Ihr auf ihrer Homepage.