Mutmachleute Angehöriger Roland

Geschwister unterstützen und dabei gut auf sich selbst achten!

Angehöriger: Roland (von Magdalena, 42)
Jahrgang: 1984
Hilfsangebote: www.geschwisternetzwerk.de, www.bapk.de,  www.fakemaggy.com, Buch: „Übersehene Geschwister“ von Jana Hauschild
Ressourcen: Familie, Freund*innen, Sport, Musik, Hörbücher, Reisen

 

Wie hast du von der Erkrankung deiner Angehörigen erfahren? Was war deine erste Reaktion?

Ist schon lange her … Ich war damals noch ein Teenager. Bis dahin wurde immer alles dazu von mir ferngehalten. Kann mich an meine erste Reaktion nicht erinnern. Schätze es war Unverständnis, Hilflosigkeit und eine Art Schockzustand… Glaube nicht, dass ich mir zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass es psychische Erkrankungen wirklich gibt und dass diese eines Tages ein Teil meines Lebens werden könnten.

 

Wieso möchtest du anderen Angehörigen Mut machen?

Ich möchte anderen Mut machen, weil ich glaube, dass es sehr viele Menschen mit psychischen Erkrankungen gibt, die es einfach nicht wahrhaben möchten und sich das nicht eingestehen wollen, obwohl sie krank sind und sich Hilfe suchen müssten.

Ich glaube, dass da viel das Stigma schuld ist. Die Angehörigen und Betroffene selbst leiden dann sehr stark darunter. Der größte Teil der Gesellschaft urteilt sehr schnell über alles was nicht verstanden wird. Je mehr Aufklärung es gibt, desto mehr Verständnis wird es auch in der Gesellschaft dafür geben und so wird es dieses Stigma eines Tages hoffentlich nicht mehr geben.

Ich selbst bin in der glücklichen Situation, dass sich meine Schwester bald helfen ließ und sie sozusagen von Therapie zu Therapie ging. Trotzdem ist und war die Situation nie wirklich einfach. Umso mehr glaube ich, dass gegenseitige Unterstützung von Angehörigen sehr wichtig ist.

Seine psychisch kranken Angehörigen zu unterstützen und sich dabei selbst nicht zu verlieren, ist nicht einfach. Allein die Aussage: „Hey, lass uns zu einem Arzt gehen. Ich begleite dich, wenn du magst“ kommt nicht so leicht über die Lippen, wie man es gerne hätte.

Man muss gut auf sich selbst und seine eigene Gesundheit achten und sich Hilfe suchen, wenn man das Gefühl hat, dass man von der Situation erdrückt wird. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Es braucht immer viel Mut, Energie und Kraft, damit man bei sich selbst bleiben und gleichzeitig seinen Angehörigen, den man liebt, unterstützen kann.

 

Was hat dir am meisten geholfen, mit der Diagnose deiner Angehörigen umzugehen? Welche Hilfsangebote für Angehörige nutzt du?

Zuerst hat es mir am meisten geholfen, mich mit den Diagnosen meiner Schwester auseinander zu setzen. Also möglichst gut zu verstehen welche Erkrankung sie hat. Jede Diagnose für sich war zuerst unglaublich für mich. Dann habe ich viel dazu gelesen, mich informiert und je mehr Verständnis ich sammelte, desto besser fühlte ich mich und hatte das Gefühl meine Schwester besser unterstützen zu können. Gleichzeitig bin ich (nach langer Zeit) endlich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich vieles wohl nie vollkommen verstehen werde, obwohl ich es gerne verstehen würde.

Vor wenigen Monaten reifte in mir mehr und mehr die Erkenntnis, dass es mir am meisten bringt, mich mit Angehörigen, vor allem mit anderen Geschwistern, auzutauschen. Ich stellte fest, dass mir Gesprächspartner*innen fehlen, die in etwa dasselbe Schicksal haben wie ich. Es geht mir besser, seitdem ich Angehörigen-/Geschwisterangebote nutze.

 

Woraus schöpfst du neue Kraft für dich persönlich, in Momenten, in denen du dich schwach fühlst?

Die meiste Kraft gibt mir meine Familie. Wenn ich Zeit mit meiner Familie und Freund*inneen verbringe, dann kann ich am besten Kraft tanken. Auch Musik spielen und Sport machen ist für mich sehr gut.

 

Wie kannst du deiner Angehörigen in schwierigen Situationen und Krisen helfen?

Meine Schwester ging mit 24 Jahren von unserem damaligen zuhause weg. Danach gab es nur noch zwei persönliche Treffen. Seit fast 16 Jahren haben wir nur schriftlichen Kontakt (Briefe, E-Mails), mehr oder weniger regelmäßig. Persönlichen Kontakt lässt ihre Erkrankung nicht zu. Das respektiere ich. Auch wenn ich sie so gern einmal wieder persönlich treffen und in den Arm nehmen würde. Ich glaube, dass ich sie in vielen Momenten bis hierhin mit unserem Kontakt per E-Mail unterstützen konnte, zumindest ein bisschen. Vor einiger Zeit hat sie den Kontakt zu mir vorerst vollständig abgebrochen, wegen verschiedener äußerer Umstände, für die wir beide nicht wirklich etwas können. Nun glaube ich, dass ich sie im Moment am besten unterstütze, wenn ich sie nicht kontaktiere und in Ruhe lasse. Das klingt zwar erst einmal komisch, aber ich glaube daran und hab die Hoffnung, dass sie sich selbst wieder bei mir meldet, wenn sie es kann und es ihre Erkrankung zulässt. Sie weiß, dass meine Tür immer für sie offen ist und sie mich immer kontaktieren kann, wenn sie das möchte.

 

Was wünscht du dir von deiner Angehörigen?

Ich wünsche mir, dass sie einen Weg für sich findet, ein gutes Leben zu führen und hoffe, dass sie mich eines Tages vielleicht auch wieder daran teilhaben lassen kann.