Depression, PTBS, Essstörungen: „Angst ist ein Lügner. Bleib’ mutig & entdecke dein Potenzial!“
Betroffene: Dani von RECOVERYBUDDY
Jahrgang: 1988
Diagnose: Chronische Depression (Dysthymie), Posttraumatische Belastungsstörung, Essstörungen,
Alkoholsucht, Schizoide Persönlichkeitsstörung
Therapie: 2x stationär Langzeittherapie, 1x teilstationär Tagesklinik, 3 Jahre Tiefenpsychologie und 1 Jahr Verhaltenstherapie (ambulant)
Ressourcen: Sport (Krafttraining, Yoga, Indiaca, Fahrrad), Musik (Schlagzeug), Blogs & Songs schreiben
Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?
Im Alter von 19 Jahren.
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal möchte ich für mich selbst eine Maske ablegen und zu all dem stehen, was ich bin.
Die Diagnosen gehören dazu, aber sie definieren mich nicht (mehr). Ich bin so viel mehr, beweise trotzdem (oder gerade deswegen) STÄRKE und MUT und inspiriere damit als Coach für Essstörungen auch andere.
Damit kommen wir schon zum zweiten Aspekt:
Ich möchte andere Betroffene ermutigen, sich zu zeigen, Hilfe zu suchen und Hilfe anzunehmen! Meine Depression blieb über 10 Jahre unbehandelt. Mir wäre wahrscheinlich vieles erspart geblieben, hätte ich rechtzeitig die Hilfe bekommen, die ich benötigte.
In nicht seltenen Fällen kommt alle Hilfe zu spät. Das sehen wir an der stetig steigenden Suizidrate durch psychische Krankheiten. So darf es nicht weitergehen. Durch das leider noch weit verbreitete Stigma und die Unwissenheit über Symptome und Auswirkungen ist die Schamgrenze immer noch unwahrscheinlich hoch. Ich weiß selbst, wie schwer es ist, dauerhaft eine Maske aufrechtzuerhalten und jemanden vorzugeben, der man nicht ist, nur, um andere zu schützen. Ohne professionelle Hilfe geht man schnell daran zugrunde …
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?
Distanziert und hilflos, aber auch besorgt. Meine Familienangehörigen sind die meiste Zeit davon ausgegangen, dass es am besten wäre, die Diagnosen / Störungen zu verschweigen, und nicht nachzufragen, wie sie sich äußern und was sich durch sie in meinem Unterbewusstsein abspielt. Ein Verdrängungsmodus, der aber auch von mir aus gesteuert wurde. Ich hatte mich und meine Erkrankungen niemandem richtig erklärt. Also herrschte auch eine ganz große Unsicherheit und Unwissenheit unter allen Beteiligten.
Bis heute weiß niemand so richtig damit umzugehen. Daher wünsche ich mir (wie viele andere Betroffene wahrscheinlich auch) einfach Akzeptanz und Verständnis… für abgesagte Treffen, Überforderungen, Rückzug, Motivationslosigkeit an manchen Tagen. Für Rückfälle in alte Verhaltensweisen und die fehlende Fähigkeit, Emotionen auszudrücken.
Weniger Ratschläge, weniger “du musst …” oder “du solltest doch …”, “du machst doch jetzt schon so lange Therapie …”, denn Druck machen wir uns alle schon genug. Manchmal wünschte ich mir ja auch diese Schwere einfach weg – aber das ist nicht möglich. Und so übe ich Tag für Tag immer mehr Annahme, schätze gute Tage, aber verteufele die schlechten nicht.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Wissen. Austausch. Therapie.
Die Diagnosen gestellt zu bekommen, hat mir endlich Klarheit verschafft!
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Musik. Ich kann durch sie mehr Emotionen ausdrücken als auf irgendeine andere Art und Weise.
Waldspaziergänge mit meinem Therapie-Hund. Bestimmte Plätze nutze ich als Wohlfüh-Insel und versuche dort im Hier und Jetzt präsent zu sein und die Gefühle “einfach” da sein zu lassen, bis sie vorüberziehen (und das tun sie).
Neugier und Mut. Ich habe festgestellt, dass mich Neugier glücklich macht. Dazu gehört das eigene Bewusstsein zu erweitern, neue Bereiche zu erforschen, neue Instrumente, neue Sportarten, neue Gegenden zu erkunden. Die ganze Welt steht mir offen. Oft habe ich mich verkrochen und mir selbst Fesseln angelegt. Niemand muss im Selbstmitleid versinken.
Yoga und Meditationen tun meiner Seele gut. Mit Sport erweitere ich meine körperliche und geistige Stärke. Darauf greife ich auch immer wieder zurück.
Verdrängung und Ablenkung haben mich in der Vergangenheit immer nur in Süchte, Abhängigkeit und Zwänge hineingetrieben. Heute bin ich achtsamer;)
An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass ich durch die Einnahme von Antidepressiva gut gefestigt bin. Dafür schäme ich mich nicht. Es ist eine Medizin. Wie der Diabetiker sein Insulin benötigt, brauche ich meine SSRIs (Serotoninwiederaufnahmehemmer, Anm. d. Red.).
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Teilt euch euren vertrauten Personen mit, damit sie euch verstehen und ggf helfen können. Auch der Hausarzt gilt als Vertrauensperson! Er kann euch dabei helfen, eine ambulante oder stationäre Therapie in die Wege zu leiten. Sorgt für euch, wartet nicht, bis das Fass übergelaufen ist.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
(Ver)urteilt bitte nicht! Fragt nach, informiert euch! Besucht Gruppen für Angehörige. Akzeptiert, statt Druck auszuüben, und seid geduldig mit dem Betroffenen;) Eine Therapie fruchtet nicht so schnell. Sie braucht Zeit …
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Super Frage!! 🙂
Ich bin offen, direkt und ehrlich. Ich kann andere Menschen sehr schnell für etwas begeistern und setze auch immer um, was ich mir in den Kopf setze. Ich bin mutig, reise alleine durch die Welt oder springe aus einem Flugzeug. Angst ist ein Lügner! Ich habe nicht weniger Potenzial als andere Menschen oder sonstige Einschränkungen durch meine Krankheit!
Dani hat einen Blog, schreibt auf Instagram und Facebook.