Depression und Angststörung: Die Depression zu überwinden, bedeutet, sich seinen Gefühlen zu stellen.

Betroffene: Kirsten

Jahrgang: 1990

Diagnosen: Depression und Angststörung; Skin Picking; zwanghafte, dependente, ängstliche Persönlichkeitsstörung; Alkoholmissbrauch

Therapien: ein Mix aus Verhaltenstherapie und Psychoanalyse in einer Psychiatrischen Institutsambulanz

Ressourcen: Schreiben, Fotografieren, meine Webseite

 

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Dass ich depressiv war, begriff ich so richtig erst in der psychiatrischen Klinik. Schon drei Wochen vor meiner akuten Aufnahme im September 2018 stand die Diagnose Depression auf meiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, doch das rauschte irgendwie an mir vorbei. Und auch in der Klinik sollte es einige Tage dauern, bis ich wirklich begriff, wie krank ich war.

 

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Seit Ende Dezember 2020 gebe ich auf meiner Webseite meine Aufarbeitungserfahrungen weiter. Meine Depression und weitere Begleiterkrankungen sind überwunden. Dafür bin ich einen sehr intensiven und schmerzhaften Weg gegangen, der manchmal auch gefährlich war. So gefährlich soll die Aufarbeitung für andere nicht werden. Deshalb finde ich es wichtig, behutsam, verständnisvoll und wertungsfrei über Tabuthemen wie tiefe Verzweiflung, Ausweglosigkeit und Suizidalität zu schreiben und zu sprechen.

 

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Mein Umfeld hat geschwiegen. Ich glaube, es war mit der Diagnose und meinem Psychiatrieaufenthalt überfordert, was mir nicht geholfen hat. Es ist in meinen Augen völlig in Ordnung, überfordert zu sein. Geholfen hätte mir, wenn man über diese Hilflosigkeit und Überforderung einfach gesprochen hätte.

Schweigen kann sehr weh tun.

 

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Besonders mein Lieblingspfleger in der Klinik hat mir mit vielen Gesprächen geholfen, die Diagnosen zu akzeptieren. Aber auch wenn mich die Erkenntnis, u. a. depressiv zu sein, zunächst mit voller Wucht getroffen hat, habe ich die Erkrankungen schnell akzeptiert. Es ging mir damals sehr schlecht und ich war so dankbar für die angebotene Hilfe.

 


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Mein Rettungsanker in Krisensituationen ist mittlerweile meine Webseite. Dort kann ich mich auf meine eigene Art ausdrücken, Gedichte schreiben, meine Erfahrungen weitergeben. Da ich vom Stalking betroffen bin, bin ich immer wieder aufs Neue dankbar, die Webseite zu haben. Mit ihr kann ich meinen Ängsten etwas entgegensetzen und ihm die Stirn bieten. Bevor ich die Webseite anlegte, half mir vor allem seit der Entlassung aus der Klinik das Tagebuchschreiben. Meine damaligen Tagebucheinträge fließen heute auch in meine Artikel ein.

 


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Niemand ist ein*e „Versager*in“ oder ähnliches, wenn er/sie psychisch erkrankt. Gleichzeitig finde ich es wichtig, die Depression bzw. eine psychische Erkrankung nicht als Feindin anzusehen. Ich denke, die Depression möchte, dass man den Blick nach innen wendet und sich den erlittenen (psychischen) Verletzungen behutsam nähert.

 

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ich denke, es hilft schon sehr, wenn man keine (versteckten) Vorwürfe macht und keinen Zeitdruck aufbaut. Wer psychisch erkrankt ist, hat nichts von Sätzen wie: „Geht es dir schon wieder nicht gut?“ oder „Wie soll es bei dir denn mal weitergehen?“. Das hilft kein bisschen.

 

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Am meisten schätze ich meinen Mut an mir. Es waren ausgerechnet meine vielen Ängste, die mir gezeigt haben, was wirklich in mir steckt. Irgendwann lernte ich, nicht mehr gegen meine Ängste anzukämpfen (was sie verschlimmerte), sondern mit ihnen Herausforderungen zu meistern. Seitdem nehme ich meine Angst dankbar an, weil sie mich wachsen lässt.

 

Auf meiner Webseite gebe ich meine Erfahrungen zur nachhaltigen Überwindung meiner Depression und weiterer Begleiterkrankungen weiter. Weitere thematische Schwerpunkte sind das Skin Picking, die Gefühle, die Selbstliebe und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körperbild.