Depressionen: ICH treffe die Wahl.

Betroffener: Heiko
Jahrgang: 1970
Diagnose: Rezidivierende Depression
Therapie: (Tiefenpsychologische) Verhaltenstherapie
Ressourcen: Schreiben, Sport, Bewegung in der Natur, Lebensphilosophien studieren, Musik, Entspannung, Reisen

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Ich fühlte mich erschöpft und erlebte mich schlussendlich als Mobbingopfer. 2014 erfuhr ich von meiner Erkrankung. 

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Um anderen Mut zu machen. Außerdem ist es mir wichtig, mich selbst als Mensch mit Handicap zu offenbaren und zu akzeptieren!

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Mein Umfeld reagierte verschieden und jede*r eben auf seine Weise. Meine Mutter erfuhr nur, dass ich gemobbt wurde (was meine damalige Überzeugung war). Da sie selbst schon an Depressionen erkrankt war, entschied ich mich, ihr nichts von der Diagnose zu erzählen. Mein Bruder hielt Abstand zu mir und äußerte sich gar nicht, was eben seine Art und Weise ist. Meine Frau war und ist natürlich voll involviert und hat mich super unterstützt.

Eine meiner vielen Erkenntnisse ist, dass jede*r unterschiedlich mit diesem Thema umgeht. Zu erwarten oder zu wünschen, wie die Gesellschaft oder mein Umfeld damit umgehen sollten ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz.

Heilend für jeden selbst kann es sein, so wie sich selbst, seine Erkrankung, das Leben, die Menschen und alles was ist und kommt, so anzunehmen wie es eben ist und Verständnis für jene Menschen zu haben, die es nicht nachvollziehen können was es bedeutet, psychisch krank zu sein. Oder auch Verständnis zu zeigen, dass sich manche vor schnell negativ äußern, aus Unwissenheit oder fehlender Empathie. Es gilt ja auch in der Bewältigung der Depression zu erkennen, dass man sich selbst mit allem, was man für sich braucht, selbst zu versorgen lernt.

Natürlich freue ich mich über Anteilnahme und Mitgefühl, doch ist es für mich viel wichtiger geworden, die Fähigkeit entwickelt zu haben, mir dies alles selbst zu geben und gleichzeitig mit Mitgefühl oder Verständnis für andere da zu sein, die es eben nicht besser hin bekommen Empathie für Menschen zu haben, die unter Depressionen leiden.Ansonsten würde ich mich ja wieder als Opfer oder Stigmatisierter sehen.

Das bin ich aber nicht aus meiner Sicht. Und ich mache mein Befinden nicht mehr von der Meinung oder dem Verhalten anderer abhängig! Die Frage sollte also eher lauten: wie geht man gut mit der anderen Seite um?

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich habe mich jahrelang schwergetan, mich als depressiven Menschen zu akzeptieren und ich habe mich genau so lang als Mobbingopfer gesehen. Vor einem halben Jahr begann ich eine tiefenpsychologische Therapie, die sehr schnell Früchte trug. Davor war ich vier Jahre lang in einer Verhaltenstherapie die mir nicht weiter half.

Was hat mir also geholfen es zu akzeptieren? Die Zeit, die mir zeigte, dass es nicht einfach wieder verschwindet, sondern ich lernen darf damit umzugehen und es als ein Teil von mir anzunehmen. Genauer gesagt dauerte das fünf Jahre, bis ich es wirklich auf eine gute Weise annehmen konnte.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Meine wichtigste Ressource ist Regulierung! Das bedeutet, dass ich mich gedanklich schnell auf das Bewusstsein der Handlungsfähigkeit bringe. Ich versorge mich mit dem, was ich in diesem Moment brauche. Hier geht es darum sich darauf zu fokussieren, dass ich nie einer Sache ausgeliefert bin. Ich treffe also wie in allen schwierigen Alltagssituationen immer die Wahl, wie die Dinge für mich sein sollen. Und ich entscheide mich dabei immer für die gute Wahl. Fühle ich mich überfordert, akzeptiere ich das und versorge mich selbst mit dem, was ich brauche. Ich beruhige mich und atme durch und überlege mir, wie ich gut damit umgehe und es löse. So mache ich es mit allem.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ja, es ist schwer. Ja, man hat sich das so nicht ausgesucht und ja ich treffe ganz allein die Wahl, wie mein Leben aussehen soll. Ich denke jede*r muss seinen eigenen Weg finden wie sie oder er mit der Erkrankung oder Handicap lernt umzugehen. Ich möchte mit meinen Erkenntnissen dazu beitragen, der oder dem anderen Impulse und Ideen zu geben!

Mein Weltbild hat sich total gewandelt – ich fühlte mich ausgeliefert, machtlos und sah mich in der Opferrolle.Erst als ich wirklich begriffen habe, dass es wirklich nichts gibt auf Erden, dem ich ausgeliefert oder machtlos entgegenstehe, außer ich bin der Meinung das ist so!

Wir haben gelernt, unsere Welt so zu erleben und zu reagieren auf Situationen – oft automatisch und impulsiv. Ich sage, dass nur ich alleine bestimme und wähle wie die Dinge für mich sein sollen. Ich übernehme für alle meine Gefühle und für mein Handeln die volle Verantwortung!

Ich bin in gewissen Situationen eben traurig, wütend aufgebracht oder zerstört, aber ich bestimme auf welche Weise ich letztendlich damit weiter umgehe. Das ist Achtsamkeit! Ich lasse es nicht mehr zu, dass andere mich verletzen oder aufbringen können. Ich akzeptiere traurige oder unschöne Dinge, die geschehen, auch wenn sie mir nicht gefallen. Ich akzeptiere, dass wir alle Fehler haben und alle irgendwie einen Rucksack mit uns rumtragen und uns in manchen Dingen schwer tun – wir sind alle gleich und haben alle Stärken und Schwächen.

Letztendlich geht es um die Entscheidung, die ich treffe, wie ich die Dinge sehen möchte. Setze ich den Fokus auf das Negative oder treffe ich die Wahl mit meinem Herzen zu sehen und nur so habe ich Frieden.
Ich bin traurig, wenn jemand in der Familie stirbt, aber ich werde mich an Dankbarkeit und den Menschen erinnern und das Leben wie das Sterben annehmen als daran zu zerbrechen und das ist eine Wahl!
Menschen sagen oder machen Dinge, dir mir nicht gefallen, aber ich entscheide wie ich damit umgehe … ärgere ich mich und verteufle ihn oder hasse ihn? Oder akzeptiere ich, dass er oder sie anderer Meinung ist und meiner Meinung nach im Unrecht und bleibe nachsichtig und respektiere den Menschen trotzdem?
Es ist alles die Wahl die ich treffe! Eine Wahl für ein glückliches trotz Handicap erfülltes und friedliches Leben oder für Kampf, Widerstand und Unruhe – ich erschaffe mein eigenes Universum!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Mich so wie sich selbst so zu akzeptieren wie man ist und loslassen und annehmen!

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Das Leben ist ein Lernprozess und Schwierigkeiten sind dazu da, um sie auf gute Weise zu lösen. Der Sinn meines Lebens ist der, dem ich ihn gebe – ich möchte ein glückliches und buntes Leben und lernen und wachsen! Ich bin also ein Optimist geworden, jemand der nicht aufgeben braucht, weil es immer eine Lösung gibt für mich.

Ich bin empathisch, fürsorglich und verständnisvoll!