Depressionen und Borderline: „Schwach zu sein“ ist meine größte Stärke

Betroffene: Steffie

Jahrgang: 1980

Diagnosen: Borderline, (komplexe) Posttraumatische Belastungsstörung, Depression, somatoforme Schmerzstörung

Therapien: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Klinikaufenthalte

Ressourcen: Schreiben, gute Gespräche, Musik, Kunst, mein Pferd

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Schon im frühen Jugendalter hatte ich immer wieder sehr dunkle Phasen. Anfang 2021, also etwa 25 Jahre später, hatte ich einen kompletten Zusammenbruch und stand kurz vor dem Suizid. Ich kam wegen einer schweren Depression in eine Krisenintervention. Weitere Diagnosen bekam ich während eines anschließenden siebenwöchigen Klinikaufenthaltes.

All das ist nicht lange her und ich befinde mich gerade selber noch mitten im Prozess, meine Krankheit zu akzeptieren und Wege aus der Krise zu finden.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

In meiner Kindheit wurde ich von Familie, Freunden und auch in der Schule als zart besaitet und sehr emotional belächelt. Meine Versuche Hilfe zu bekommen scheiterten immer wieder, da meine Symptome nicht ernst genommen wurden.

Inzwischen bin ich 41 und Mutter von zwei Kindern. Mir ist es wichtig, dass meine Kinder mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass ich eine Krankheit habe und dass diese schuld daran ist, dass es Tage gibt, an denen ich mich nicht um sie kümmern kann und auf die Hilfe anderer angewiesen bin. Es ist so wichtig, dass psychische Erkrankungen die gleiche Akzeptanz erhalten wie alle anderen. Dafür ist Aufklärung notwendig. Ich möchte ein Zeichen setzen, dass es nie zu spät ist, sich Hilfe zu holen und gleichzeitig allen Betroffenen Mut machen, dass sie es wert sind gesehen zu werden und sich an die richtigen Stellen wenden um Hilfe zu bekommen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Ich habe zum größten Teil positive Reaktionen und viel Verständnis erhalten. Allerdings auch viel Unsicherheit im Umgang mit mir. Gerade eine Borderline Diagnose ist mit sehr vielen Vorurteilen und Stigmata behaftet, wodurch sich auch einige wenige Menschen von mir abgewendet haben.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Mein Klinikaufenthalt war ein großer Schritt in Richtung Selbstakzeptanz. Der Austausch mit Betroffenen in diesem sicheren Umfeld hat mir gezeigt, dass ich nicht alleine bin, was mir sehr geholfen hat. Letztendlich auch mein offener Umgang mit der Krankheit und der Versuch, anderen mit meiner Geschichte Mut zu machen.


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich habe zusammen mit meiner Therapeutin einen Krisenplan für mich ausgearbeitet. Dieser umfasst verschiedene Skills, einige wenige Notfallkontakte, die darüber auch informiert sind, bis hin zu professionellen Notfallnummern. Meine wichtigsten Ressourcen sind der Austausch mit Mitpatient*innen und kleine Gegenstände aus meinem Notfallkoffer (z.B: ein Holzball mit Zacken), mit denen ich meine Spannungen regeln kann.


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ich bin es wert, dass mir geholfen wird. Und Du bist das auch! Versuche mutig zu sein!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Ich finde es wichtig, dass Angehörige sich abgrenzen und auch selbst professionellen Rat holen, z.B. beim regionalen sozialpsychiatrischen Dienst.

Manchmal hilft Schweigen mehr als Worte. Wenn man selber nicht betroffen ist, kann man nur schwer nachempfinden, wie sich die Erkrankung anfühlt. Gut gemeinte Ratschläge bewirken oft das Gegenteil. Mir hilft es viel mehr mich einfach in den Arm zu nehmen oder sich still neben mich zu setzen und zu signalisieren, dass ich nicht alleine bin.

 

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin hochsensibel. Fluch und Segen zugleich. Aber schön finde ich, dass ich mich dadurch gut in andere Menschen hinein fühlen kann. Und ich bin liebevoll, ehrlich und mutig.

 

Steffie hat eine wunderschöne Homepage mit Blog und ist auf Instagram.