Tanja Salkowski

Depressionen: Unterm Strich.

Unsere Autorin Tanja Salkowski schreibt in ihrem Gastbeitrag bei den #Mutmachleuten über ihren Alltag mit Depressionen.

 

Wir Depris können fabelhafte Schauspieler sein.

Ich hätte das Wochenende in Gesellschaft verbringen können. Stattdessen entschied ich mich wiedermal für Einsamkeit und Tränen. Für schlechte Gedanken, Aufgeben und für völlige Isolation. Nur ich mit mir. Keiner durfte davon erfahren. Nicht einmal die, die nachfragten, wie es mir denn ginge. „Gut“, sagte ich. Gut. Ein gelogenes Gut. Schutzmaßnahme. Wir Depris können fabelhafte Schauspieler sein. Die Maske aufgesetzt, um ja nichts nach außen dringen zu lassen. Oskarreif. Und wiedermal den Blick auf die anderen gerichtet. Denn ich möchte nicht, dass sich die anderen Sorgen um mich machen. Man möchte das nie. Man möchte, dass es allen gut geht. Man möchte anderen nicht auf der Tasche liegen. Und man möchte auf gar keinen Fall, dass sie sich verpflichtet fühlen, zu helfen. Ausgerechnet mir. Ich bin doch diejenige, die oberflächlich das Superwoman-Kostüm anzieht, um in den Kampf zu ziehen – immer für die anderen. Nie für mich selbst. Ich will unterstützen und da sein. Aber niemand soll für mich da sein. Habe ich nämlich nicht verdient – denke ich.

Wer vor meiner Tür steht, um mich abzulenken, der wird fortgeschickt. Wer anklingelt, um mir Gutes zu tun, wird weggedrückt. Wer mir liebe Zeilen schreibt, um mich wieder lebendig zu machen, der wird ignoriert. Weil dieser Moment völlige Gleichgültigkeit beinhaltet. Ich bin taub und gelähmt. Ich bin blind und realitätsfremd. Weil ich Dinge denke, die nicht existieren, aber trotzdem da sind. Und ich brauche dieses Sich-Verkrümeln, um mich hindurch zu tauchen in dieses Becken voller Schmerz, das gerade 100% meines Lebens bestimmt. Freunde und Familienangehörige können nichts tun, außer standhaft zu bleiben und Geduld zu haben. Verständnis, Akzeptanz und keine Erwartungen. Niemals. Denn je mehr Erwartungen ein depressiver Mensch spürt, desto mehr wird er sich einigeln. Und desto mehr fühlt er sich klein und nutzlos. Einfach nur den Kontakt beibehalten. Ja. Und wenn es nur eine Whatsapp mit einem Punkt ist. Es braucht noch nicht mal einen Buchstaben. Einfach nur da sein. Und ich lese diesen Punkt. Und vergesse ihn wieder. Aber ich lese ihn und bemerke: „Hey, da draußen ist noch die Welt. Ok, du bist gerade nicht Teil davon. Aber es ist in Ordnung. Irgendwann wirst du wieder dabei sein und auch mal wieder lachen. Vielleicht in 2 Stunden. Vielleicht schon morgen. Vielleicht erst nächste Woche. Das ist egal. Es wird auf jeden Fall passieren. Irgendwann. Und dann findest du das Leben wieder schön.“

 

Wenn ich es geschafft habe und wieder lebendig bin …

… wenn ich mich wieder hinaus traue und „funktioniere“, dann gibt es tatsächlich Situationen, die man als depressiver Mensch in gewisser Weise rechtfertigen muss. Verrückt. Beispiel: Menschen fragen bei mir nach, ob ich denn WIRKLICH Depressionen hätte. Weil ich gerade nicht so aussehen würde. Weil ich mich gerade herausputze und schminke. Weil ich mich gerade schick anziehe. Weil ich gerade unter Leuten bin. Weil ich privat und im Job auch ziemlich witzig sein kann und dem Humor eine Chance gebe. Weil ich gerade lache. Weil ich dazu gehöre und gar nicht so anders wirke. Und weil ich lebe. In so einem Fall antworte ich immer unterschiedlich – wenn ich überhaupt antworte. Es hängt von meiner Tageslaune ab. Aber meistens erwidere ich:

„Hey, danke für deine Frage und dein Interesse an mir. Aber eine depressive Person liegt nicht 365 Tage 24 Stunden im Bett und denkt über Suizidmethoden von A-Z nach. Zumindest ich nicht. Eine depressive Person kann auch Spaß haben – wirklichen, echten Spaß. Sie kann auch arbeiten gehen. Sie kann Sport machen. Sie kann Farben sehen und Freude empfinden. Sie kann sogar Zähne zeigen, andere Menschen aufmuntern und die Schönheit des Lebens genießen. Sie kann manchmal verdammt viel Kraft haben, so, das sie es selbst kaum fassen kann. Sie kann ein Teil vom Ganzen sein, so, dass andere niemals erahnen würden, dass sie eine Erkrankung hat. Sie kann leben!“

Aber ja natürlich, es gibt sie manchmal, diese Phasen und diese Fassade. Dann bin ich nach außen hin fröhlich, aber innerlich ein einziges Stück Leid. Weil ich in diesem Moment einfach nur Profi bin. Weil ich es aber auch in diesem Moment nicht möchte, dass andere meine verborgenen Tränen sehen.

Weil ich mir als depressiver Mensch einfach nur die Freiheit nehme selbst zu entscheiden, wer mich jetzt wirklich kennenlernen darf und wer nicht.

Aber unterm Strich habe ich eine Sache gelernt, die mich in den letzten Jahren enorm nach vorne gebracht hat: Es gehört zu dir und das ist gut so. Klar, diese Krankheit mit dem dicken D vorne dran fühlt sich manchmal beschissen an. Aber es beinhaltet auch was Schönes. Es öffnet Türen zu Chancen. Es zeigt dir Wege, die verdammt gut für dich sind. Hat irgendwie alles einen Sinn. Nimm es wahr und nimm es an. Und sei authentisch. Denn du bist so großartig.


Text und Fotos: Tanja Salkowski

Tanja Salkowski
Tanja Salkowski

Tanja schreibt über ihr Leben mit Depressionen in ihrem Blog.