Mutmachleute Bianca Scheunemann

Die Symptomträger sind selten die Verursacher.

Name: Bianca Scheunemann
Jahrgang: 1978
Betreut KlientInnen in akuten Krankheitsphasen auf einer geschlossenen Akutstation und Hilfesuchende in einer Familienberatungsstelle für seelische Gesundheit
Therapie-und Hilfsangebote: Entlastungsgespräche & Gruppenangebote (Recovery-Gruppen), Fürsprachen, Begleitungen und Unterstützungen

 

Welche persönliche Krisenerfahrung hast du als ehemalige Betroffene gemacht? Auf welchem Gebiet bist du eine Erfahrungsexpertin geworden?

Die prägendsten Erfahrungen habe ich wohl mit meinen Zwängen und der Agoraphobie gemacht, von denen mein Alltag am meisten beeinflusst wurde. Gefolgt von immer wiederkehrenden Depressionen. Alles zusammen wohl die Begleiter meiner PTBS und emotional instabilen Persönlichkeitsstörung Typ Borderline, die lange unerkannt blieben und somit erst später in die Therapie miteinbezogen wurden.

 

Welche persönlichen Erfahrungen hast du mit der Psychiatrie bzw. psychiatrischen/psychologischen Diensten gemacht? Was ist deine Motivation gewesen, eine ExIn-Ausbildung zu absolvieren und nun Menschen zu helfen?

Zu meinen meist positiven Erfahrungen zählen mehrere Klinikaufenthalte (voll- und teilstationär), psychiatrische Betreuung und Begleitung durch verschiedene Institutsambulanzen sowie diverse mehrjährige Psychotherapien, angefangen mit tiefenpsychologischer, dann einer Verhaltenstherapie mit nahtlosem Übergang zur Traumatherapie. Selbsthilfegruppen suchte ich auch immer mal wieder auf, wie auch verschiedene ambulante Psychiater. Große Unterstützung erhielt ich durch meine Betreuerin aus der ambulanten Sozialpsychiatrie.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, was mir in belasteten Momenten geholfen hat, aber auch, was gar nicht gut war. Von Gutachtern als „nicht arbeitsfähig auf dem ersten Arbeitsmarkt“ eingestuft, konnte ich es …

… trotzdem zurück ins Berufsleben schaffen und sehe mich dadurch auch als Hoffnungsträgerin und möchte mein Erfahrungswissen gerne mit Betroffenen teilen und hoffentlich unterstützend wirken. Als alleinerziehende Mutter, die einen langen Krisenweg erfolgreich hinter sich gebracht hat, möchte ich auch diesen speziellen Aspekt in die Genesungsbegleitung miteinbringen.

 

Welche Vorurteile bzw. falschen Vorstellungen gibt es in der Gesellschaft zum jeweiligen Erkrankungsbild, das auch dich betroffen hat?

Borderline mit wird häufig mit Selbstverletzungen, insbesondere dem Ritzen, gleichgestellt. Dabei ist diese Erkrankung viel mehr, sie hat viele Facetten. Nicht jeder daran erkrankte Mensch ritzt sich und nicht jeder, der sich ritzt, hat Borderline. Es ist auch keine Modekrankheit, was mir schon mehrfach zu Ohren gekommen ist. Psychisch erkrankte Menschen sind nicht gefährlich, vor uns muss keiner Angst haben (nicht gefährlicher als es auch „gesunde“ Menschen sind). Um an einer PTBS zu erkranken, muss nicht zwingend ein einziges, traumatisches Erlebnis vorab geschehen. Auch kann es sein, dass über einen sehr langen Zeitraum immer wieder etwas erlebt wurde, was nie aufgearbeitet wurde. Und wir sind nicht faul, wir sind wirklich krank. Krisen werden von jedem anders erlebt und ansteckend sind wir auch nicht. „Du musst Tabletten nehmen, dann wirst du gesund“ denken auch viel zu viele.

 

Wie hilfst du betroffenen Menschen in Einrichtungen ganz persönlich und welche hilfreichen Therapiemöglichkeiten gibt es deiner Meinung nach?

Mir ist es wichtig, jedem bewertungsfrei zu begegnen und erst einmal die größten „Feuer zu löschen“.

Gerne verlasse ich mich dabei auf mein Bauchgefühl, welches mich nur selten täuscht. Therapien im Allgemeinen finde ich sehr wichtig, ganz egal welche. Doch auch das Miteinander finde ich wichtig. Betroffene lernen von Betroffenen (auch betroffene Eltern von betroffenen Eltern). Dazu zählt der Austausch mit MitpatientInnen genauso wie Gespräche mit GenesungsbegleiterInnen oder auch Gruppentherapien.

Ebenfalls ist Bianca auch aktiv mit ihrem Blog vom ICH zum DU zum WIR auf Instagram.