Dysthymie: Ich achte mehr auf schöne Momente.

Betroffene: Jennifer F.
Jahrgang: 1972
Diagnose: Dysthymie (chronische Depression)
Therapie: Tagesklinik, stationäre Klinik, Gesprächstherapie, medikamentöse Therapie
Ressourcen: Meine Familie, lesen, meine Arbeit als EX-IN Genesungsbegleiterin

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Ich bin bereits seit meiner Jugend depressiv. Festgestellt wurde es in einer Tagesklinik, als ich 32 Jahre alt war.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich habe eine Ausbildung zur Genesungsbegleiterin gemacht und bei meiner Arbeit stelle ich immer wieder fest, wie wichtig es für Betroffene ist, auf Gleichgesinnte zu treffen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Ich glaube, am Anfang dachten viele, meine Symptome wären Teil meiner Persönlichkeit. An Krankheit dachte erstmal keiner. Mittlerweile sind die Menschen in meiner Umgebung aufgeklärter und können mich besser verstehen. Ich habe früher oft versucht, meine Krankheit zu verstecken, Stichwort Maske. Mittlerweile kann ich offen mit meiner Erkrankung umgehen.
Ich wünsche mir Verständnis von meinem Umfeld und möchte nicht diskriminiert werden. Ich möchte auch nicht auf meine Krankheit reduziert werden.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Der Austausch mit anderen Patienten und Aufklärung durch Ärzte und Psychologen.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich weiß mittlerweile, dass ich unbedingt auf meine Grenzen achten muss und habe gelernt, meine Frühwarnzeichen zu deuten, wie z.B. zu viel Schlaf, Migräne, Schwindel.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Es zeugt von Stärke, sich rechtzeitig Hilfe zu holen.

Sei es von der Familie, Ärzten oder Therapeuten.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Wichtig ist, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Wichtig sind Menschen, denen man vertrauen kann, die auch zu einem halten, wenn es einem schlecht geht. Angehörige sollten auch auf sich selbst achten. Sie sollten Geduld aufbringen, auch wenn ich für alles meine Zeit brauche. Sie sollen mich nicht aufgeben, aber auch nicht bedrängen.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin ein freundlicher und ehrlicher Mensch. Ich arbeite mittlerweile als Genesungsbegleiterin in einem Minijob in einem Heim für psychisch kranke Menschen und ehrenamtlich in einer Kontaktstelle für psychisch kranke Menschen. Ich werde sehr für mein Einfühlungsvermögen und meine Empathie geschätzt.

Ich mache anderen Patienten durch meine Geschichte Mut, sie zeigt, dass es im Leben auch wieder aufwärts gehen kann.

Ich kann mich gut in andere Patienten hineinversetzen und ich weiß auch, dass ich trotz meiner Erkrankung eine gute Erziehung von meinen vier Kindern geleistet habe, im Rahmen meiner Möglichkeiten.