Manni im Interview: Angst

Interview mit Manni, der Angst: Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere Sichtweise darauf.

Mutmachleute-Team: Manni, es ist uns eine Ehre, dass du dich entschieden hast, unser Projekt und zu unterstützen. Wir freuen uns, die Thematik Angststörung dadurch aus einer ganz neuen Perspektive zu beleuchten: Nämlich aus Sicht der Angst selbst.

Die Autoren unserer Blogbeiträge haben unter dir, der Angst, sehr gelitten. Wie fühlt es sich an für andere Menschen bzw. für sein Umfeld eine große Belastung darzustellen? Du bist ja nicht gerade ein willkommener Gast.

Manni-das Mammut: Ich freue mich ebenfalls, dass ich heute die Gelegenheit bekomme, etwas über mich zu erzählen und dadurch vielleicht ein bisschen mit den Vorurteilen aufzuräumen. Ich hoffe, dass ich mit diesem Interview Betroffenen die immensen und meistens unnötigen Berührungsängste nehmen kann, die sie mit mir haben. Auch ich leide nämlich schwer unter der Stigmatisierung meines Wesens! Dabei ist Angst doch auch etwas Nützliches: Ihr Menschen wärt heute alle gar nicht hier, wenn ihr vor Urzeiten nicht vor mir, dem Mammut, geflüchtet wärt.

Ohne euren Ur-Instinkt, also ohne eure Angst, gäbe es euch alle nicht mehr. Denn ohne sie wärt ihr nicht automatisch und ohne große Mühe dazu getrieben worden, ganz schnell vor mir wegzulaufen, bevor ich euch fressen konnte. Im Übrigen nicht gerade gut für unsere Spezies (lacht). Stellt euch doch mal eine Welt vor ohne mich, ohne die Angst! Ihr würdet direkt und voller Freude in mein offenes Maul laufen (lacht herzhaft).

Mutmachleute-Team: Also gut, Manni, in diesem Punkt geben wir dir Recht. Die Angst kann schon ganz sinnvoll sein. Betroffene berichten aber davon, dass sie in völlig ungefährlichen Situationen von dir heimgesucht werden, zum Beispiel beim Warten an der Supermarktkasse oder anderen Situationen und oft gefühlt völlig unangemessen. Du wirst uns Recht geben, dass die meisten wohl keine besonders lebensbedrohlichen Situationen darstellt, die eine Flucht rechtfertigen.

Manni-das Mammut: „Heimsuchen“ ist aber wirklich nicht sehr nett. Ich bin doch kein Monster! Die Betroffenen holen mich doch freiwillig zu sich. Ich kann das gar nicht steuern. Die Angst entsteht bei den Betroffenen. Vor allem mache ich immer wieder die Erfahrung, dass die Betroffenen mich, ich nenne es mal „aufpumpen“. Sie machen mich viel größer, als ich eigentlich bin, dadurch werde ich zu einem unnötigen und vor allem unangenehmen Gefühl. Mir stehen dann oft selbst die Haare zu Berge vor lauter Angst …

Während die Betroffenen mich also aufpumpen, schaffen sie nicht mehr hinzusehen. Ich werde immer größer, und keiner kann mehr eingreifen. Ich bin doch auch nur ein kleines Mammut und habe eine Daseinsberechtigung als Angst, genauso wie die Freude oder das Glück. Im Übrigen wären solche positiven Gefühle ohne mich auch nur halb so schön (zwinkert). Ich bin das, was die Menschen aus mir machen. Als Philosophie-Fan fällt mir da immer der Satz von Epiktet ein: „Nicht die Dinge an sich, sondern die Sichtweise auf die Dinge ist das, was uns beunruhigt“ – oder eben sogar ängstigt.

Mutmachleute-Team: Lieber Manni, da bekommt man ja fast Mitleid mit dir. Unser Bild von dir hat sich durch das Interview stark verändert. Und es wird klar, wie wichtig es ist, die ganze Thematik Angst auch mal aus deiner Sicht, aus Sicht der Angst selbst zu betrachten.

Und nun, unsere übliche Frage: Welchen Umgang wünscht du dir von den Betroffenen?

Manni-das Mammut: Macht euch klar, dass ihr mich zu dem macht, was ich in euren Augen bin. Seht mich an, wenn ich bei euch bin – versucht es. Dann könnt ihr vielleicht erkennen, dass ich ursprünglich kein böser Kerl bin. Ich, die Angst, habe einen Sinn, auch bei Betroffenen von Generalisierten Angststörungen. Ich zeige euch, dass etwas in eurem Leben nicht gut verlaufen ist, dass es Erfahrungen aus der Vergangenheit gibt, die man sich ansehen sollte, statt sie zu verdrängen. Nur wenn man solche Erfahrungen betrachtet, kann man sie auch verarbeiten und letztendlich loslassen. Die Angst zeigt euch, dass ihr in eurem Alltag vielleicht lange Zeit einen falschen Rhythmus, einen falschen Weg, eine falsche Richtung eingeschlagen habt, falsche Ziele hattet – was auch immer, ich bin nie ohne Grund da.

Seht mich als Hilfe, als Weckruf, als Chance! Und bitte, pumpt mich nicht unnötig auf. Das ist wirklich unangenehm und vor allem schadet es meiner Frisur …

(lacht eitel)

Mutmachleute-Team: Manni, vielen herzlichen Dank für deine offenen, aufschlussreichen und philosophischen Worte. Möchtest du unseren Lesern zum Schluss noch etwas mit auf den Weg geben?

Manni-das Mammut: Genauso wie das Projekt der Mutmachleute wünsche auch ich mir einen offenen Umgang mit der Angst.

Steht dazu, redet offen darüber, und vor allem: Schämt euch nicht für mich!

 

Text: Anna Starks-Sture
Foto: Tina Meffert