Rezidivierende Depression, Persönlichkeitsstörung: Nichts geschieht ohne Grund

Betroffene: Johanna
Jahrgang: 1991
Diagnosen: Rezidivierende Depression, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen, dependenten und selbstunsicher-/ängstlich-vermeidenden Anteilen
Therapien: Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologische Therapie, stationäre Klinikaufenthalte, Psychiatrie/Psychotherapie, psychiatrische häusliche Krankenpflege, Antidepressiva
Ressourcen: mein Hund, Kreativität (malen, schreiben, fotografieren, kochen & backen)

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ende 2017 ging es mir so schlecht, dass ich entschied mich in Therapie zu begeben. 2018 bekam ich dann zunächst eine mittelgradige Depression bescheinigt, zusätzlich bestand ein Verdacht auf eine soziale Phobie und/oder eine selbstunsicher-ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Dann folgten zwei Klinikaufenthalte und die oben genannten Diagnosen standen „fest“. Im Prinzip wusste ich all die Jahre von meiner Depression, konnte mir das aber nicht zugestehen. Auch jetzt fällt es mir noch schwer, die Erkrankung bei mir ernst zu nehmen.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Als ich mit der Therapie anfing, wusste ich nicht ob und inwiefern ich mich dazu äußern sollte und wollte. Für meinen Blog interviewte ich andere Blogger*innen, die sich bereits entschieden hatten, ihr Gesicht zu zeigen. Nun, nach meinem zweiten Klinikaufenthalt,

habe ich entschieden mich nicht weiter zu „verstecken“, sondern dazu zu stehen und anderen damit zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Und, dass es wichtig und kein Zeichen von Schwäche ist, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen!

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Mein Umfeld hat unterschiedlich reagiert. Von Aussagen wie „du warst doch immer die Stärkere“, „du hattest doch so eine gute Kindheit“ über Verständnis bis hin zur Kündigung (natürlich hatte der offiziell Kündigungsgrund nichts mit meiner Krankheit zu tun). Meine Eltern wissen (bisher) nur von der Depression. Meiner Schwester und Freund*innen erzähle ich mehr. Mit dem Begriff Depression kommen die meisten inzwischen irgendwie zurecht. Das Stigma ist immer noch da, aber das Thema wird präsenter. Andere psychische Erkrankungen sind noch weitestgehend ein Tabuthema und mit vielen Vorurteilen besetzt. Da würde ich mir wünschen, dass auch das sich in den nächsten Jahren ändert.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Mir hat es vor allem geholfen mit anderen Betroffenen zu reden und in den Austausch zu gehen. In der Klinik, vor allem in der Freizeit und in Gruppentherapien zu erkennen, dass ich nicht alleine bin. Zu hören, dass es wirklich eine Erkrankung ist und ich nicht einfach nur faul bin. Aber mir halfen auch die Therapeut*innen und das Pflegepersonal, die mich ernst genommen haben, Verständnis zeigten und mir zusicherten, dass ich Hilfe „verdient“ habe, dass ich dort sein (in der Klinik) darf.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In akuten Krisensituationen helfen mir aktuell unter anderem Skills – kalt duschen gehen, Verband mit einer Wärmesalbe, Bedarfsmedikation – aber auch Gespräche mit anderen. Mich nicht zurückziehen, kreativ sein, mit dem Hund raus gehen … Außerdem habe ich versucht, mir ein Sicherheitsnetz aufzubauen, solange ich mich nicht stabil fühle. Ich habe Ansprechpartner*innen und weiß, im Notfall ist es okay einen Rettungswagen zu rufen. Das gibt mir Sicherheit, aber ich hoffe natürlich, dass nicht mehr alles davon auch in der Zukunft nötig sein wird.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Sucht euch Hilfe! Ihr habt Hilfe und Unterstützung verdient! Ihr dürft diese in Anspruch nehmen und das ist vollkommen okay. Ich weiß, der Weg dahin ist oft nicht leicht und es werden einem durchaus auch öfter Steine in den Weg gelegt – aber es lohnt sich! Davon bin ich fest überzeugt.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Nehmt eure Angehörigen ernst! Denn oft hadern die Betroffenen selbst damit, sich ernst zu nehmen. Setzt sie nicht unter Druck: wenn etwas gerade nicht geht, geht es nicht! Als Betroffene*r ist es oft schon schwer genug, selbst „einfachste“ Dinge nicht hinzubekommen und sich dafür selbst nicht abzuwerten, zu schämen, sich schlecht zu fühlen.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich habe einen starken Gerechtigkeitssinn und versuche Menschen vorurteilsfrei zu begegnen. Ich glaube an das Gute im Menschen und daran, dass wir uns verändern können, wenn wir es selbst wollen. Jeder Mensch besitzt den gleichen Wert und nichts und niemand kann das ändern. Jedes Leben hat einen Sinn, auch wenn wir den manchmal nicht sehen können.

 

Johanna schreibt auf ihrer Homepage über ihre Hobbys und bloggt zum Thema psychische Erkrankungen.