Schizoaffektive Störung: Es lohnt sich, nicht aufzugeben!
Betroffener: Hartmut Haker
Jahrgang: 1974
Diagnose: Schizoaffektive Störung
Therapie: Medikamente, Psychotherapie
Ressourcen: meine Bücher und Theaterstücke, Lesungen halten
Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?
Meine schizoaffektive Erkrankung (1) brach aus, als ich 20 Jahre alt war. Bereits einige Zeit zuvor bahnte sich an, dass ich ängstlicher wurde und mich zurückzog.
In meinem ersten Buch „Station 23 – Begegnungen in der Psychiatrie“ beschreibe ich den Beginn meiner Erkrankung: „An diesem Tag war alles anders – ich empfand meine ganze Umgebung als beängstigend. Mein bis dahin geordnetes Leben geriet völlig aus dem Gleichgewicht. Eine unglückliche Liebe könnte der Auslöser gewesen sein. Zuvor hatten sich meine Eltern getrennt, worunter ich ebenso gelitten hatte wie unter dem hohen Leistungsanspruch meines Vaters. Innerhalb weniger Wochen hatte ich völlig abgebaut und wurde von Verfolgungswahn, Ängsten und Halluzinationen heimgesucht.“
Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?
Schon vor 20 Jahren habe ich angefangen, Gesicht zu zeigen, mit meinem ersten Buch. Anfangs war es schwer, sich mit dieser von Vorurteilen behafteten Erkrankung zu offenbaren.
Heute tue ich es u.a. in meinen Lesungen, um anderen Betroffenen Mut zu machen – auch dadurch, dass ich mit Frau, Kind und einer Vollzeitarbeit ein recht normales Leben führe.
Ich möchte jedem Betroffenen raten, sich nicht zu verstecken –
Es tut gut, offen darüber zu sprechen!
Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?
Immer wieder habe ich in meiner schriftstellerischen Tätigkeit bemerkt, dass ich anfangs dachte, auf Ablehnung zu stoßen. Oft stellte sich dann aber heraus, dass die anderen auch etwas zu berichten haben.
In meinem Arbeitsleben berichtete ich meinen Chefs nach einer gewissen Zeit offen von meiner Erkrankung. Sie sagten mir, dass in ihrem Umfeld Verwandte und Freunde auch psychische Erkrankungen haben. Sie sagten, dass es kein Problem sei, und sie sehen würden, dass ich gut arbeite. Meine Familie und meine Freunde unterstützten mich bei meiner schreibenden Therapie.
Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?
Immer habe ich mir vor Augen gehalten, dass viele Menschen von unterschiedlichen Erkrankungen betroffen sind. Ich sah meine Erkrankung nicht als das Ende, sondern versuchte, das Beste daraus zu machen. Außerdem betrachtete ich es auch von der Seite meines christlichen Glaubens – ich sagte mir, dass meine Erkrankung auch einen Sinn hat. Diesen finde ich darin, wohin mich mein Weg geführt hat – in mein Leben mit meiner Familie und meiner Arbeit, und dass ich in meiner Freizeit schreiben und einen Beitrag zur Aufklärung über psychische Erkrankungen und zu deren Entstigmatisierung leisten kann.
Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?
Bei einer eintretenden Krise weiß ich, was zu tun ist. Ein Arzt ist eingeweiht. Mit ihm würde ich dann besprechen, wie mir zu helfen ist.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Gemäß meinem Motto „Es lohnt sich, nicht aufzugeben!“ bin ich durch die fast 25 Jahre meiner Erkrankungen gegangen. Mehrmals musste ich fast von Null anfangen und mich immer wieder neu ausrichten. Beim Schreiben meiner Bücher und Theaterstücke ist mir klar geworden, dass es wichtig ist, dem Leben zu vertrauen. Anfangs hatte ich Angst vor der Psychiatrie und den Medikamenten. Irgendwann habe ich gelernt, dass mir diese Medikamente helfen. Heute lebe ich fünf Jahre ohne einen Rückfall und kann sagen, dass es mir gut geht.
Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?
Wichtig ist, dass man die Betroffenen auch in akuten Situationen als gleichwertige Persönlichkeiten ansieht. Es ist wichtig, sich in die Gedankenwelt der Betroffenen hineinzuversetzen und sie nicht nach irgendeinem Schema zu behandeln, sondern so, dass es ihnen gut geht. Noch wichtiger ist es zu wissen, dass Betroffene an ihren psychischen Erkrankungen keine Schuld haben.
Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?
Durchhaltevermögen und der Sinn für positive Gedanken sind meine Stärke. Auch wenn es manchmal düster aussah, bin ich immer wieder aufgestanden und weitergegangen.
Einige Bücher von Hartmut wurden im Wieden Verlag veröffentlicht. Darunter dokumentiert er in „Station 23 – Begegnungen in der Psychiatrie“, Roman, ISBN 978-3-9813684-5-1 seine Ursachensuche, seine Auseinandersetzung mit den Medikamenten einschließlich der Nebenwirkungen und den anderen therapeutischen Angeboten, den immer wieder auftretenden Rückschlägen und Rezidiven. Es geht ihm um das Paradigma „Jeden kann es treffen – aber keiner sollte aufgeben“. Denn trotz aller Unbilden gelingt Hartmut Haker der Reintegrationsprozess in ein sehr lebendiges Leben und er wird zu einem Kenner seiner eigenen Erkrankung und Behandlung.
Eine Reportage über ihn („Hartmut Haker war psychisch krank – Er will Betroffenen Mut machen“) gibt es bei „Hempels“ Ausgabe 254 zu lesen.
Hartmut Haker ist bei Facebook.
Die schizoaffektive Störung stellt eine Erkrankung dar mit unterschiedlichen Beschwerdebildern. Es finden sich hier Episoden mit Psychosen (z. B. Halluzinationen und Wahn), die zum Krankheitsbild der Schizophrenie zählen. Zum anderen zeigen sich affektive, also Gemütsstörungen, die sich wiederum zusammensetzen aus Depressionen und manischen Hochstimmungen. Somit setzt sich die Bezeichnung der Erkrankung zusammen aus schizo (= schizophrenen) und affektiven Störungen (Depression und Manie).