Mutmachleute NoStigma

#NoStigma oder: Warum ein Nein so wertvoll sein kann.

Einen Aphorismus, der mich bereits in meiner Jugend beeindruckte und bis heute maßgeblich in meinem Wertesystem geprägt hat, formulierte Kurt Tucholsky:
 

Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter,
als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.

 
Im Wesentlichen politisch gemeint (Tucholsky war ein gnadenloser Kritiker und Satiriker des herrschenden Zeitgeistes), lässt sich dieses Zitat in seiner Bedeutsamkeit auch auf persönliche Lebensphasen, gesellschaftliche Entwicklungen oder den Kampf gegen die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen anwenden.
 
Die eigene psychische Erkrankung, der Umgang mit ihr und ihre Entwicklung, trägt immer eine persönliche Geschichte mit sich. Sieht man genauer auf die einzelnen Abschnitte dieser persönlichen Geschichte, stellt man oft genug fest, dass erst mit einem lauten Nein notwendige Veränderungsprozesse eintreten:

„Nein, ich lasse mich nicht mehr kleinmachen.“ „Nein, ich will diesen Kontakt nicht mehr.“ „Nein, dieses und jenes tut mir nicht gut.“ „Nein, da mache ich nicht mit, auch wenn alle anderen mitmachen.“ „Nein, ich verstecke mich nicht mehr.“
 
Natürlich gibt es auch viele weichenstellende Jas im Leben, aber ich will auf die Neins hinaus, mit deren Hilfe wir Grenzen setzen, oder über Grenzen gehen oder sie gar einreißen. Ein Jein hilft niemandem, weder dem Sender noch dem Empfänger. Man muss Farbe bekennen.

Wer den Mut hat, Farbe zu bekennen, offen zu sich und zu seiner Erkrankung oder der seines Angehörigen zu stehen, hat Anstrengendes vor sich.

Aber erst mit der Anstrengung verändern wir die Dinge, in der Anstrengung erfahren wir Lebendigkeit, und durch sie können wir zu uns, zu der Erkrankung und damit gegen das Tabu stehen.

 
Wir können zeigen, was in uns steckt. All jene Stärken, Ressourcen, aber auch Verschrobenheiten, die ja psychisch Gesunde ebenfalls vorweisen. Wir können zeigen, dass wir den Mut haben zur Veränderung (unserer selbst oder äußerer Dinge); wir können zeigen, dass wir uns auseinandersetzen mit uns und unserer Geschichte, mit der Erkrankung und ihren Folgen; wir können zeigen, dass wir nicht Menschen mit einem Defizit, sondern mit besonderen Fähigkeiten sind.
 
Egal, in welchen Zeiten wir leben – Lasst uns laut sagen: Nein. Ich lasse mich nicht mehr stigmatisieren. Ich bin ein Mensch unter vielen anderen!
 
Tina Meffert
Foto: pexels.com