Christian Kaiser

Was hilft bei seelischen Problemen? Kunst und Gemeinschaft durch Selbsthilfe.

 

Name: Christian Kaiser
Jahrgang: 1982
Betreut KlientInnen: Ich bin sehr aktiv in der Selbsthilfe, Mitglied in vier Selbsthilfegruppen und Projektmitarbeiter beim Verein Ex-In M-V e. V.
Therapieangebote/Hilfsangebote: Dozententätigkeiten und beispielsweise Krankenbesuche in Kliniken

 

Welche persönliche Krisenerfahrung hast du als (ehemaliger) Betroffener gemacht? Auf welchem Gebiet bist du ein Erfahrungsexperte geworden?

Ich war schon immer ein sehr phantasievoller Mensch und malte bereits im Kindergartenalter Sternenkarten mit erdachten Sonnensystemen. Von der Möglichkeit außerirdischer Lebensformen war ich schon damals fasziniert. Ich glaube immer noch daran, dass es möglich ist, dass ich tatsächlich von Außerirdischen mitgenommen wurde, auch wenn das für einige sehr irritierend sein muss.
Im Jahr 1991 hatte ich einen Traum: Ich befand mich an Bord eines UFOs mit kleinen grauen Männern, die große schwarzen Augen hatten und sehr zerbrechlich wirkten. Sie verständigten sich mit mir telepathisch und zeigten mir ihr Raumschiff mit vielen verschiedenen außerirdischen Tier- und Pflanzenarten.

Sie erklärten mir, dass wir Menschen dabei sind, unseren Planeten zu zerstören und damit alle anderen Arten gefährden. Ich war mir zwar dessen bewusst, aber ich versuchte, die Menschheit zu verteidigen. “Es sind ja wirklich auch nicht alle so und wir können uns ändern.” Die Mission der extraterrestrischen Besucher war jene, die auch Noah mit seiner Arche hatte. Sie sahen ihre Aufgabe darin, jede Art vor dem Aussterben zu schützen. Sie erklärten, dass wenn wir so weitermachen, nicht mehr viel zum menschengemachten Armageddon fehle.

1993 kam hatte meine Mutter einen fast tödlichen Verkehrsunfall, den ich in all seiner Grausamkeit voraussah. Ich wollte ihr ebenso wie mein Vater zur Hilfe eilen. Sie hatte einen Selbstmordversuch begangen. Es war ein sehr einschneidendes Erlebnis, für mich, aber natürlich auch für meinen Vater und meine Mutter. Dieses traumatische Erlebnis war wohl auch mit eine der Ursachen für meine spätere Erkrankung, die schizoaffektive Störung.

1997 rutschte ich als 14-Jähriger auf dem Eis aus und fiel auf meinen Kopf, verletzte mich aber nur geringfügig. Doch danach sah ich einen farbigen Lichtschein um Menschen, teilweise auch um Tiere und Pflanzen. Heute denke ich manchmal, dass es die Aura der Lebewesen ist, die ich sehen kann.

Ich muss zugeben, dass ich im Laufe der Tage, Sachen und Dingen eine Bedeutung und einen Zusammenhang beimaß, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun hatten. Ich benahm mich immer merkwürdiger. Das bekamen auch meine Freunde mit. Eines Tages stürzte wieder auf den Kopf. Danach tat ich etwas sehr Seltsames: Ich sang ein Lied in einer anderen Sprache, meiner Meinung nah in der Sprache der Maya.

Nicht alle in meiner Klasse hielten mich für einen Spinner. Die Klassensprecher machten sich allerdings natürlich auch Sorgen, genau wie die Lehrer*innen. In den Schularbeiten schrieb ich nur noch geheimnisvolle Symbole, die meiner Meinung nach aber außerirdische Zeichen waren. In einem Gespräch wurde deutlich: Ich sprach in Rätseln. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich schon, ich hätte alle Rätsel der Menschheit entschlüsselt. Doch in Wirklichkeit war ich aber zu einem Rätsel für meine Mitmenschen geworden. Was war richtig: meine Realität oder die anderer? Ich frage mich oft: Was ist schon normal?

 

Welche persönlichen Erfahrungen hast du mit der Psychiatrie bzw. psychiatrischen/psychologischen Diensten gemacht? Was ist deine Motivation gewesen, eine ExIn-Ausbildung zu absolvieren und nun Menschen zu helfen?

Meine Mutter brachte mich kurze Zeit danach in eine Klinik. Ich befand mich zwischen 1997 bis 2017 ca. zehn Mal in einem stationären Aufenthalt.

Auch wenn diese Aufenthalte teilweise sehr schwer war, habe ich auch positive Erinnerungen daran. Man lernt interessante Menschen kennen. Und auch wenn sie sich gerade in einer Krise befinden, erlebt man die Menschlichkeit, in Teilen auch von den Pfleger*innen, Ärzt*innen und Therapeut*innen.

Fixierungen aber waren für mich gegen jede Menschenwürde! Ein Verstoß gegen die Menschenrechte! Trotzdem weiß ich, dass die Mitarbeiter*innen in der Psychiatrie oftmals sich nicht besser zu helfen wissen.

Ich will etwas in der Sozialpsychiatrie verbessern, deshalb habe ich mich schon früh in der Selbsthilfe engagiert. Von 2006 bis 2012 war ich Vorsitzender des damaligen Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener Mecklenburg-Vorpommern e.V. Der in Landesverband seelische Gesundheit umbenannt wurde um weniger zu stigmatisieren. 2014 bis 2016 war ich Beisitzer des Verbandes. Seit Februar 2019 bin ich Projektmitarbeiter im Verein Ex-In Mecklenburg-Vorpommern e.V.

 

Welche Vorurteile bzw. falschen Vorstellungen gibt es in der Gesellschaft zum jeweiligen Erkrankungsbild, das auch dich betroffen hat?

Ich habe eine schizoaffektive Störung. Viele Nicht-Informierte denken dabei sofort an einen gewalttätigen und unberechenbaren Menschen.

 

Wie hilfst du betroffenen Menschen in Einrichtungen ganz persönlich und welche hilfreichen Therapiemöglichkeiten gibt es deiner Meinung nach?

Für mich persönlich war die Musik und Ergotherapie sowie das soziale Kompetenztraining sehr wichtige Therapien.

In meinem Beruf als Projektmitarbeiter arbeite ich größtenteils in der Öffentlichkeitsarbeit und als Dozent.

Außerdem bin ich in der Selbsthilfe sehr aktiv und Leiter der kreativen Selbsthilfegruppe Mad Artists. Die Mad Artists sind eine offene Selbsthilfegruppe aus Rostock für Menschen mit seelischen Problemen und kunstinteressierte Menschen, die uns bei unseren künftigen Projekten unterstützen wollen. Jeder, der künstlerisch, musikalisch oder schriftstellerisch begabt ist, kann uns unterstützen. Zur Zeit befindet sich die Rostocker Kreativgruppe im Wiederaufbau. Allerdings können bei uns auch Menschen aus aller Welt mitmachen, Internet sei Dank!

Hier sind die Mad Artists online zu finden.