Depression: Herr-Bock

Depression: Als Betroffener kann ich alles. Nur nicht immer. Und manchmal gar nicht.

Betroffene: Markus Bock alias Herr Bock „Depressionist“
Jahrgang: 1981
Diagnosen: Rezidivierende Depression, Dysthymie
Therapien: Ambulante Verhaltenstherapie, abgebrochene Verhaltenstherapie, Tagesklinik, Heilpraktiker für Psychotherapie
Ressourcen: Schreiben, Vorträge, Sport, Entspannungsübungen, Grafikgestaltung, Fotografie, mein Sohn

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Das war 2006 während meiner zweiten Ausbildung. Mir war vorher schon bewusst, dass etwas nicht ganz in Ordnung war, konnte das aber nicht einordnen. Mein damaliger Chef hat mich zum Gespräch gebeten und gefragt, was mit mir los wäre. Ich würde nur stupide meine Arbeit machen, aber nicht mehr reden, nicht mehr lachen und auch die Berufsschule schwänzen. Er hat mich am Ende des Gesprächs gebeten, doch mal beim Hausarzt über das Thema Depressionen zu sprechen.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich zeige mit meinem Blog und mit meinen Vorträgen Gesicht, weil ich ein Leben voller Lügen und Geheimnisse gelebt habe. Sicher viel durch die psychische Erkrankung, aber auch durch gelerntes, destruktives Verhalten. Ich wollte mich einfach nicht mehr verstecken. Ich wollte ein anderes Leben haben. Als ich die Diagnose erhielt, wollte ich meine Freunde über meinen Blog lesen lassen, was mit mir los ist. Sie sollten einen Einblick bekommen, warum ich Termine aus fadenscheinigen Gründen absage oder einfach mal nicht antworte. Heute? Ist der Blog und das Schreiben die größte Waffe gegen die vernichtende Gedankenmaschinerie.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Mein Umfeld hat sehr positiv reagiert. All die Menschen, die mich vorher begleitet haben, sind heute noch Teil meines Lebens. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle interessiert reagiert und mir ihren Respekt ausgesprochen. Ein paar Menschen haben auch von sich erzählt. Mein Umfeld reagiert gut. Sie kennen meine Muster und sind feinfühlig, was mein Verhalten angeht. Der offene Umgang damit hat einiges erleichtert. Ich weiß aber, dass es vielen anderen da draußen anders geht. Sie können eben nicht so frei sprechen und werden nicht richtig wahrgenommen. Auch deswegen rede ich so offen darüber.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Das Wissen, dass ich eh nichts ändern kann. Die Situation ist eben so.

Die Krankheit ist ein Teil von mir, ich bin ein Teil von ihr.

Ich werde die Auslöser nicht abstellen können, aber ich kann lernen, damit zu leben. Je mehr ich mich im Hass darauf verstrickt habe, desto schwieriger wurde es für mich, damit umzugehen. Einen großen Beitrag, dass ich die Krankheit akzeptieren konnte, haben auch die Menschen geleistet, die jederzeit für mich da waren. Menschen, die mich über meinen Blog angeschrieben haben und mir ihre Geschichte erzählt haben.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In erster Linie das Schreiben. Es landet nicht alles im Blog, aber wenn der Kopf zu voll ist, schreibe ich meine Gedanken auf und packe sie dann weg. Bewegung ist wichtig. Vom Spazieren, Radfahren, Walken bis hin zum Laufen. Beide Teile bringen für mich die größte Entspannung. Danach kommen Dinge wie Imaginationsübungen, bewusste Entspannungsübungen, kreative Beschäftigungen usw.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

So schwer das Leben mit einer psychischen Erkrankung manchmal auch ist, so schön kann es zwischendurch auch sein.

Findet einen Weg zu euch selbst, glaubt nicht an die Denkmuster, vertraut auf euch. Die Wege sind manchmal lang und schwer, aber sie lohnen sich. Es ist keine Schande, mit einer Erkrankung zu leben. Habt Mut, zeigt euch ein bisschen und gebt Angehörigen die Chance, einen Einblick in euer Denken zu bekommen. Nutzt die Angebote der Selbsthilfe, um für euch ein Stückchen weiterzukommen. Lasst euch darauf ein. Der Weg zu einer Besserung führt oft nur mit professioneller Hilfe zu dir selbst.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Schafft einen Rahmen zum Reden und verurteilt nicht Betroffene, nehmt keine Arbeiten ab, sondern schafft Angebote. Ich wünsche mir einen normalen Tagesablauf, in dem es auch mal vorkommen kann, dass der Betroffene eben nichts machen kann. Die Rolle der Angehörigen ist keinesfalls leichter, deswegen sorgt auch für euch selbst! Nutzt die Angehörigengruppen, um euch auszutauschen und gebt nicht einfach auf. Versucht nicht alles zu verstehen, sondern seid einfach nur mal da. Respekt ist sehr viel mehr Wert, als Verständnis.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Empathie und die Dinge direkt anzusprechen. Mittlerweile auch Ehrlichkeit und Zielstrebigkeit. Mut und Neugier.

 

Markus bloggt auf: Herr Bock