Agoraphobie: Die Angst will mich nur beschützen.

Betroffene: Franzi
Jahrgang: 1992
Diagnose: Agoraphobie
Therapie: ambulante Verhaltenstherapie, stationäre tiefenpsychologische Therapie
Ressourcen: Schreiben, Malen, Lesen, Radfahren

 

Persönliches Statement

Die Angst will mich nur beschützen. Ich nehm sie an die Hand und zeige ihr, dass keine Gefahr besteht.

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Die Symptome begannen, als ich 17 Jahre alt war. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir passierte. Ein Jahr lang folgte eine Odyssee an Arztbesuchen, bis nichts mehr übrigblieb als die Psyche. Die endgültige Diagnose bekam ich zehn Jahre später.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich zeige in erster Linie Gesicht, um mir selbst endgültig klar zu machen, dass ich mich nicht verstecken und schämen muss. Und wenn ich darüber hinaus anderen Betroffenen bei diesem Schritt helfen kann, freut es mich umso mehr.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Sehr unterschiedlich. Meine Mutter hatte von Anfang an endloses Verständnis und Geduld. Mein damaliger Partner dachte, das ist nach einer Woche Schonung wieder gegessen und hat es bis heute nicht wirklich verstanden. Viele können es nicht verstehen, weil sie Dinge scheinbar nur wirklich fassen können, wenn sie sie selbst erlebt haben. Das möchte ich niemandem übelnehmen, aber ich wünsche mir, dass sie wenigstens Verständnis zeigen. Nur weil man sie nicht sehen kann, ist es trotzdem eine ernstzunehmende Krankheit. Außerdem ist noch viel Veränderung notwendig, damit Menschen mit psychischen Erkrankungen gleichberechtigte Chancen auf Ausbildung und berufliche Selbstverwirklichung erfahren können.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Gespräche mit anderen Betroffenen. Dabei zu merken, wie groß mein Verständnis und Mitgefühl für ihr Leiden ist und mir dann klar zu machen, dass ich auch und vor allem mir selbst gegenüber mitfühlend sein darf und muss.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Schreiben, immer das Schreiben. Und das Lesen alter Aufzeichnungen, die mir Mut machen.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Sprecht über eure Erkrankung und versteckt sie nicht. Solange wir sie verstecken, verleugnen wir uns selbst und können uns wahrscheinlich nie wirklich annehmen und mitfühlend mit uns umgehen. Und das ist das Wichtigste im Umgang mit der Erkrankung: Verstehen, akzeptieren und dann trotz Krankheit das Leben so schön gestalten, wie nur möglich.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Habt keine Scheu, Fragen zu stellen. Diese Krankheit ist ein so starkes Auf und Ab, dass Dinge, die uns heute guttun, morgen schon wieder falsch sein können. Und bitte sucht nicht die Schuld bei euch (gerade als Eltern). Wir haben Therapeuten, mit denen wir Ursachen ergründen und lernen, mit vergangenen Erlebnissen Frieden zu schließen. Seid da. Auch wenn ihr euch im Umgang mit uns oft schrecklich ohnmächtig fühlt, die größte Stütze ist, da zu sein und zu bleiben.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin ruhig, sensibel und aufmerksam. Für Menschen, die mir nahestehen, habe ich immer ein offenes Ohr und gebe mein Bestes, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich schätze an mir, dass ich selbst aus großen Krisenzeiten etwas Positives gewinnen kann, sei es, meine Gefühle in der Kunst auszudrücken oder auch nur die Erkenntnis, stärker zu sein, als ich geahnt hätte. Ich schätze außerdem meine Zielstrebigkeit und dass ich, trotz allem, noch nie aufgegeben hab.

 

Franzi schreibt auf ihrem Blog franzialexandra. Dort geht es es um den Mut zu einer erfüllten Lebensgestaltung und Selbstverwirklichung trotz und durch die Angststörung. Außerdem um die Liebe zur Kunst und Prosa.