Borderline & Depression: Manch ein Normaler ist verrückter als ich!

Betroffene: Andrea H.
Jahrgang: 1965
Diagnose: Borderline, mittelschwere rezidivierende Depression, Drogensucht (abstinent)
Therapie: Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), ambulante Verhaltenstherapie, ambulante tiefenpsychologische Psychotherapie
Ressourcen: Sport (Rennrad, Laufen, Fitness), Wandern, Gärtnern, Musik, meine Familie, Freunde

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Meine Borderlinediagnose bekam ich 2010, vorausgegangen sind jahrelange Behandlungen aufgrund meiner Depressionen. Der erste Klinikaufenthalt war 1999. Seit 2012 beziehe ich Erwerbsunfähigkeitsrente.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich zeige nicht erst jetzt Gesicht, sondern stehe bereits seit langem offen zu meiner Erkrankung, was mir im Leben leider mehr Ablehnung als Verständnis eingebracht hat – daran möchte ich auch im Interesse anderer Betroffener versuchen, etwas zu ändern!

Mut machen, authentisch zu sich und seinem Handicap zu stehen, aufzuklären – nur so kann sich zukünftig etwas zum Positiven wenden.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Meine Eltern verweigern bis heute ein Gespräch über meiner Erkrankung. Mein Mann (ich bin seit 20 Jahren verheiratet) war zunächst hilflos, hat mich aber auch in ganz schweren Zeiten immer unterstützt, sich informiert und ist mein wichtigster Halt im Leben.

Wer mich in einer stabilen Phase kennenlernt, als lustige, energiegeladene Freundin, versteht oft nicht, was geschieht, wenn ich mich im Tief zurückziehe – offener Austausch und Verständnis wären hier sehr hilfreich und wünschenswert.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Mich zu informieren; Experte in eigener Sache zu werden; trialogischer Austausch; mir immer wieder zu sagen, dass ich meine Probleme nicht selbst verursacht habe, aber nur ich selber etwas an meiner Situation verändern kann.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Skills aus der DBT; das Wissen um Kraft, Willen, Mut und Stärke, die mich durch viele Krisen getragen haben; Sport & Natur; Selbstfürsorge, das alles hilft mir in Krisensituationen.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Schämt euch nicht für eure Erkrankung, zeigt Gesicht, werdet mutig, versteckt euch nicht. Lasst euch weder von eurem Handicap noch von der Gesellschaft unterkriegen. Gebt nicht auf!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Einerseits: Ich möchte weder bemitleidet, noch „betreut“ werden, man muss mir nichts abnehmen. Ich wünsche mir stattdessen, dass man mir mehr zutraut. Ich möchte gesehen und verstanden werden, aber keine Ratschläge bekommen. Solidarität, Verständnis und Rückhalt sind mir am wertvollsten.

Andererseits: Grenzt euch ab, ohne uns Grenzen vorzuschreiben, kümmert euch gut um euch selbst, pflegt eigene Interessen, macht euch nicht verantwortlich, wenn ihr uns nicht helfen könnt.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Schwierig – denn das schwankt je nach Stabilität – ich bin willensstark, ehrlich, und stehe zu mir und meiner Meinung. Ich besitze Einfühlungsvermögen und bin – kaum zu glauben – LUSTIG!
 
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