Dissoziative (multiple) Identitätsstörung, Depression, PTBS & Ängste: Ich bin nicht meine Krankheit!

Betroffener: Raven
Jahrgang: 1996
Diagnose: Dissoziative Identitätsstörung, Depression, PTBS, Ängste, Panikattacken, Zwänge, weitere Persönlichkeitsstörungen
Therapie: Verhaltens- und Traumatherapie
Ressourcen: Mein Partner, Spielen an der Konsole, Schreiben

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Als ich 13 Jahre alt war, wurde bei mir die Depression diagnostiziert und kurz darauf die dissoziative Identitätsstörung.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich erlebe oft, dass Menschen Angst vor einer psychischen Krankheit haben, weil sie diese nur aus Filmen kennen und daher einfach keine Ahnung haben, was es wirklich bedeutet, multipel zu sein. Sie sind oft sprachlos, ängstlich oder leugnen, dass es die dissoziative Identitätsstörung (DIS) überhaupt gibt. Oder sie denken, man würde über sie herfallen und man sei gefährlich. Oft setzen sie es auch mit Schizophrenie gleich, was völliger Unsinn ist. Selbst Psychiater streiten bis heute darüber, ob es DIS tatsächlich gibt. Einem Betroffenen, der sich fachliche Hilfe sucht, kann es passieren, dass er entweder abgewickelt wird mit „Das gibt es nicht, Sie denken sich das bloß aus!“ oder man wird weggeschickt mit „Sie sind mir zu komplex.“ Wie soll man also als Betroffener mit etwas umgehen, was viele Menschen leugnen? Wie soll man Freunden oder der Familie beibringen, dass man vor sich selbst Angst hat? Als Betroffener schämt man sich aus den oben beschriebenen Gründen. Ich möchte dagegen etwas tun und deshalb zeige ich Gesicht, um Mut zu machen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Es wurde einfach tot geschwiegen! Ich würde mir wünschen, dass man sowohl mit mir als auch generell in der Öffentlichkeit offen über die Krankheit spricht.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Meine Therapie; mein Partner, der mich so nimmt, wie ich bin. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen hat mir geholfen, die Krankheit zu akzeptieren.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich benutze meine Skills, wie duschen oder ein Gummiband gegen den Arm schnippen, um selbstverletzendes Verhalten zu vermeiden. Oder ich teile mich meinem Partner mit. Unterwegs hilft achtsames Atmen gegen Panikattacken.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Definiert euch über euren Charakter, nicht über eure Krankheit!

Außerdem möchte ich anderen Betroffenen ein Zitat mit auf den Weg geben, das mir sehr viel Kraft spendet:

„Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“
(Oscar Wilde)

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir
(einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Liebe Angehörigen: Ihr müsst keine Antworten auf meine Fragen haben, einfach nur zuhören reicht und tut so gut. Ihr müsst nicht gleich mit mir losweinen, denn es sind meine Probleme, nicht eure! Macht meine Probleme nicht zu euren! Seid da, wenn man euch braucht! Zuhören oder eine Umarmung bringt viel mehr als jeder Ratschlag, den ihr geben könnt. Die Probleme eines Betroffenen scheinen für euch vielleicht lächerlich, weil ihr nicht das erlebt habt, was ich erlebt habe und deshalb nicht so fühlen könnt, wie ein Betroffener. Ich denke mir das nicht aus oder mache etwas mit Absicht, im Gegenteil, ich kann es nicht kontrollieren und stehe dann verwirrt, ängstlich und ratlos vor dem, was ich angerichtet habe. Oft kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was ich getan oder gesagt habe. Meine Gedanken und Gefühle haben mich manchmal so sehr im Griff, dass ich Dinge sage, die ich nicht so meine. Bitte macht euch klar, dass ich mir das nicht freiwillig ausgesucht habe!

Manche Verhaltensweisen mögen auf euch verrückt, sonderbar oder total übertrieben wirken, aber das sind Überlebensstrategien. Nur durch so ein Verhalten haben Betroffene sich in schweren Zeiten schützen können. Dieses angelernte Verhalten verschwindet nicht von einem Tag auf den anderen.

Wir sind besonders auf unsere Art und Weise.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich kann gut zuhören, bin kreativ, kann mich sprachlich gut ausdrücken und bin clever.
 
Raven bloggt auf: Ich bin viele – Mein anderes Ich und Ich.