Marcel. Generalisierte Angststörung: Es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man für den Betroffenen eine Hilfe sein kann.

Angehöriger: Marcel
Jahrgang: 1984
Angehöriger von Nora, gen. Angststörung
Hilfsangebote: Angehörigen-Gespräch beim Psychiater von Nora, Angehörigen-Gespräch mit der Therapeutin in der Reha-Klinik
Ressourcen: Musik, Sport, Tiere, Familie, Freunde

 

 

Wie hast du von der Störung deiner Partnerin erfahren, und was war deine erste Reaktion?

Meine Partnerin ist schon während unserer Kennenlernphase ziemlich offen damit umgegangen. Ich war dankbar für diese Offenheit und ziemlich gelassen. Ausmaß und Bedeutung ihrer Erkrankung konnte ich damals allerdings nicht ansatzweise erahnen.

 

Wieso möchtest du anderen Angehörigen Mut machen?

Ich bilde mir ein, dass ich meiner Partnerin eine große Stütze bin. Ich finde es daher grundsätzlich erstrebenswert, dass psychisch Kranke Unterstützung durch ihre Angehörigen bekommen. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man für den Betroffenen eine große Hilfe sein kann.

 

Oft haben Angehörige mit schwierigen Reaktionen (Schamgefühl, Berührungsängste bis hin zu Schuldzuweisungen) des Umfelds zu tun. Was rätst du in diesen Situationen?

Ratschläge zu geben ist schwierig, wenn man die individuellen Rahmenbedingungen nicht kennt. Für mich sind solche Reaktionen jedenfalls selten ein Problem, weil ich recht selbstbewusst bin. Daher kann ich mir vorstellen, dass ein selbstbewusstes Auftreten solchen Reaktionen entgegenwirkt bzw. diesen vorbeugt. Natürlich ist es leichter gesagt als getan, selbstbewusster aufzutreten. Dieser Ratschlag hat bestimmt auch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

 

Was hat dir am meisten geholfen, mit der Krankheit deiner Partnerin umzugehen? Welche Hilfsangebote für Angehörige nutzt du?

Es hilft, sich möglichst umfassend mit der Krankheit auseinanderzusetzen, mit Statistiken, mit dem Stand der Forschung und vielem mehr. Psychische Krankheiten sind nicht so einfach sichtbar zu machen, wie zum Beispiel Knochenbrüche mittels Röntgenbild. Die Auseinandersetzung damit macht die Krankheit greifbarer. Die Offenheit meiner Partnerin, die vielen Gespräche mit ihr und ihr Blog waren ebenfalls sehr hilfreich.

 

Angehörige kostet es oft sehr viel Kraft, mit den Symptomen der Betroffenen umzugehen. Sie fühlen sich manchmal allein gelassen. Woraus schöpfst du neue Kraft für dich persönlich in Momenten, in denen du dich schwach fühlst?

Wenn es meiner Partnerin über einen längeren Zeitraum so richtig schlecht geht, ist sie nur ein blasser Schatten ihrer selbst. Und das Schlimmste daran ist, dass man den Menschen, in den man sich damals verliebt hat und den man heute liebt, in dieser Zeit kaum wiedererkennt. Erinnerungen an gemeinsame, schöne Erlebnisse helfen dann, die Zeit zu überbrücken, bis der geliebte Mensch wieder zurück ist. Und er kommt zurück!

 

Betroffene verschließen sich oft. Wie kannst du deiner Partnerin in schwierigen Situationen und Krisen helfen?

Das ist total situationsabhängig. Manchmal erscheint es hilfreich, zu versuchen, meine Partnerin zum Reden zu animieren, um die aktuell vorliegende Problematik zu erkennen. An anderen Tagen lasse ich sie lieber in Ruhe. In jedem Fall versuche ich es zu vermeiden, in irgendeiner Form Druck auszuüben. Und auch mit Ratschlägen halte ich mich sehr zurück. Manchmal erzähle ich von ansatzweise vergleichbaren Ereignissen aus meinem Leben und wie ich damit umgegangen bin. Manchmal kann sie etwas davon als Anregung, Impuls oder Idee mitnehmen. Aber das ist nicht wichtig. Zuhören ist wichtig.

 

Was wünschst du dir von deinem Partner?

Ich wünsche mir, dass sie zeitnah mit der Sprache rausrückt, wenn etwas nicht stimmt. Selbst nach acht Jahren kann ich das nämlich nicht immer erkennen. Aber ich kann auch gut verstehen, dass es nicht immer einfach ist, sofort über aufkommende negative Gedanken oder Probleme zu sprechen.

 

Was schätzt du am meisten an deinem Angehörigen? Was kannst du von ihm lernen?

Durch die Zeit mit meiner Partnerin habe ich enorm viel gelernt und meine eigene Persönlichkeit hat sich durch die Beziehung zu ihr weiterentwickelt. Ich bin empathischer und vor allem verständnisvoller als früher, nicht nur, weil das Zusammenleben mit einem psychisch kranken Menschen viel Empathie erfordert, sondern auch, weil meine Partnerin selbst ein unglaublich empathischer Mensch ist.