Kommunikation: Sprecht Klartext!

 

Sprecht Klartext!

Gewaltfreie Kommunikation, Vier-Seiten-Modell der Kommunikation, symmetrisch versus komplementär zwischenmenschlich ablaufende Kommunikationsverläufe, Dramadreieck, Ich-Botschaften, SET (Support – Empathy – Truth) Kommunikation (speziell bei Emotionsregulationsstörungen) und Transaktionsanalyse, Fragetechniken, Rhetorik und Regeln für guten Smalltalk, Tipps bzgl. Kommunikationsformen in Social Media Netzwerken – die Psychologie stellt ein recht gutes Handwerkszeug zur Verfügung, mit dem man sowohl im beruflichen als auch privaten Kontext gut zurechtkommen sollte.

Sollte.

In meiner über 25-jährigen „Karriere“ als Betroffene der Bipolaren Störung habe ich mich mit psychologischen Theorien und praktischen Anwendungsmöglichkeiten wahrlich geduldig und intensiv beschäftigt, in Form von umfassender Lektüre, in Hunderten von Therapiesitzungen, im Coaching und im Alltag.

Der zuletzt genannte jedoch ist die harte Nuss, finde ich immer noch – obwohl ich persönlich inzwischen recht stabil bin.

Jedem Menschen begegnen im Alltag Situationen oder Konflikte, die eine Herausforderung an Kommunikations- und Verhaltenskompetenzen darstellen. Mir jedenfalls begegnen sie. Das können die unterschiedlichen Warteschlangentypen an der Supermarktkasse sein, eine zu eskalieren drohende WhatsApp-Gruppen-Kommunikation, der ewig nörgelnde Kollege, ein Nachbar mit Gartenzaunstreitigkeiten oder Freunde mit ungebetenen Ratschlägen und ohne Nähe- und Distanzgefühl. Die Liste könnte sehr lang werden.

Oft genug frage ich mich (beinahe täglich):

Wer muss hier eigentlich mal ein Coaching machen? Wer sollte über seine Art und Weise, zu kommunizieren, eingehend nachdenken? Wer benötigt hier möglicherweise dringend einen Therapieplatz, um verborgene oder offensichtliche Probleme in Angriff zu nehmen, statt ständig andere anzugreifen oder ihre Bedürfnisse zu missachten? Wer manipuliert hier wen? Ich lasse mich nicht, nur weil ich eine psychische Erkrankung habe (aber an mir arbeite), stigmatisieren und als kommunikationsunfähig abstempeln. Das ist nicht in Ordnung. Gutes, zufriedenstellendes Kommunkationsverhalten an den Tag zu legen betrifft alle!

Schildere ich solche Situationen entweder Freunden oder in einer Therapiesitzung bzw. im Coaching, stelle ich inzwischen grinsend, sozusagen als Running Gag, abschließend die Frage: „Wer ist hier eigentlich gestört‘?“ Denn, und das ist eine von sehr vielen positiven Nebenwirkungen einer Therapie oder eines Coachings, man bekommt eine größtmögliche objektive Rückmeldung und gespiegelt, inwiefern angemessen und weniger angemessen wahrgenommen, gefühlt, gedacht und gehandelt wurde. Und welche Alternativen es gäbe oder gegeben hätte. Und wie man es in Zukunft besser machen könnte. Und auch, zu wem man im Zweifel Distanz schaffen sollte.

Ich möchte keine Fronten schaffen. Wer und was legt denn die Grenzen fest zwischen psychisch gesund und nicht gesund, stabil und instabil – der ICD 10? Die Rechtsprechung? Oder nicht auch ein bisschen ein gewisser Menschenverstand?

In Sachen Kommunikation, Austausch und Miteinander können alle etwas dazu beitragen, dass wir wertschätzender, empathischer und bestenfalls friedlich miteinander umgehen. Ich glaube, es gibt eine Menge Menschen, die den Sprung weg von der Me-First-Lebenshaltung wagen sollten.

Eigentlich, denke ich mir, ist es einfach: Selbst in den verfahrensten, emotionalsten Situationen und Konstellationen kann Mensch adäquat reagieren und agieren – so wie es seinem Grundbedürfnis und dem des Gegenübers entspräche. Zuhören, annehmen, argumentieren, einfühlen, debattieren, diskutieren, moderieren, Stellung beziehen, auch in Konflikten – geht alles. Wenn man ein paar grundlegende Aspekte zu positiver zwischenmenschlicher Kommunikation berücksichtigt. Dann findet ein Austausch auf Augenhöhe statt, ein Streitgespräch ohne Verletzungen oder eine demokratische Debatte, eine zufriedenstellende Beziehung oder wahre Freundschaft.

Ich habe festgestellt, am besten zurechtzukommen, wenn mit klaren Sätzen und Botschaften kommuniziert wird:
Klartext reden!

Ich finde gut: Eindeutige Signale und Ich-Botschaften senden, klar Position beziehen, direkt formulierte Fragen stellen, auf der sachlichen Ebene bleiben, zuhören, konstruktive und kreative Einwürfe machen, Wünsche und Vorstellungen äußern.
Ich finde nicht gut: ablenken, ausweichen, aufschieben, subtil etwas vorwerfen, ghosten, nörgeln, einengen, bedrohen, emotional erpressen.

Das betrifft sowohl geschäftliche Verhandlungen als auch private Unterhaltungen, den Umgang mit meinen Kindern oder ein Abendessen mit Freundinnen und Freunden: Eine gute Kommunikation ohne Vermischung von mehreren Ebenen schätze ich auf das Äußerste und versuche tagtäglich, diese selbst anzuwenden. Das gelingt mir bestimmt nicht immer.

Aber: Ich bleibe mutig und dran.

Text: Tina Meffert
Foto: pexels.com