Angststörung, Agoraphobie, Zwangsstörung, Depression: Ich bin schon irgendwie verrückt. Aber nicht weil ich psychisch erkrankt bin!

Betroffener: Guido

Jahrgang: 1965

Diagnosen: Angst- & Panikstörung, Agoraphobie, Zwangsstörung, rezidivierende Depression

Therapien: 2 Tagesklinikaufenthalte, tiefenpsychologische ambulante Verhaltenstherapie

Ressourcen: Meditation, Natur, Kochen & Ernährung, Humor, Freunde

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

2018 hatte ich meine erste Panikattacke. Wenn ich nicht so ein unglaublich guter Verdrängungskünstler wäre, hätte ich allerdings die Warnzeichen in den vielen Jahren zuvor beachtet und früher reagiert.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Aufklärung: In der Selbsthilfe höre ich in Gesprächen immer wieder das Wort »Outing«, wenn es um die Offenlegung der psychischen Erkrankung geht. Die Angst sich zu einer psychischen Erkrankung zu bekennen und dabei das Wort »Outing« zu verwenden, zeigt mir deutlich, wie es um die Anerkennung psychischer Krankheiten in unserer Gesellschaft steht – ganz schön mies…

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Ich fühle mich privilegiert. Menschen die ich ohnehin schon geliebt hatte, unterstützen mich ausnahmslos verständnisvoll und respektvoll. Die Reaktionen in meinem privaten Umfeld nehme ich als positiv wahr. In unserer Gesellschaft wünsche ich mir allerdings mehr Toleranz und Respekt für die »unsichtbaren« psychischen Erkrankungen.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Ich habe die Akzeptanz- & Commitmenttherapie in einer Tagesklinik förmlich inhaliert. Irgendwann hat es dann »klick« gemacht und ich habe verinnerlicht, dass es ohne Akzeptanz vermutlich kein Weiterkommen gibt.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Meditation und Achtsamkeit. Im Hier und Jetzt zu sein, gibt meinen Ängsten und schlechten Gedanken nahezu keinen Raum. Zudem bin ich dank meiner Therapeutin mittlerweile »Teilzeit-Optimist«. Das hilft mir bereits sehr.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Als angehender EX-IN Genesungsbegleiter habe ich folgenden Leitsatz:

 

»Statt mir ständig die Frage zu stellen, warum ich immer wieder in einen reißenden Fluss stürze und dabei zu ertrinken drohe, trainiere ich lieber dafür ein verdammt guter Schwimmer zu werden.«

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Die Offenlegung einer psychischen Erkrankung ist für Patient*innen der erste Schritt in die richtige Richtung. Nicht jede*r schafft das, manche nie. Angehörige sollten dankbar dafür sein, dass sie ins Boot genommen werden und es als eine große Chance betrachten, die nicht jede*r bekommt. Auch wenn es weh tut.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Humor: Ich bin schon irgendwie verrückt. Aber nicht weil ich psychisch erkrankt bin! Sondern weil ich z.B. mit den Fotos, die ich während der Zwangsrituale von meinem Herd mache, eine Kunstausstellung zum Thema »F42.1 Kontrollzwang« plane.

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