Borderline: Annemarie

Borderline: Ich bin mir selbst der größte Gegner.

Betroffene: Annemarie
Jahrgang: 1973
Diagnosen: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Therapien: Stationäre tiefenpsychologische Psychotherapie, ambulante analytische Gruppen- und Einzeltherapie, stationäre und ambulante Psychotherapie, Antidepressiva
Ressourcen: Freunde und Familie, Rad fahren, fotografieren, Gedichte schreiben, malen

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Seit meiner Kindheit habe ich emotionale Probleme, welche erkannt aber nicht adäquat behandelt wurden. Mit neunzehn Jahren startete ich den ersten Versuch einer ambulanten Psychotherapie. Leider schickte mich der Therapeut wieder weg. 1993, mit 20 Jahren, entschied ich mich für eine stationäre Therapie. Dort bekam ich die Diagnose „Emotional, instabile Persönlichkeitsstörung“.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich bin schon immer offensiv damit umgegangen, dass ich psychisch krank bin. Die Stigmatisierung durch die Medien und somit auch in der Gesellschaft regten mich auch schon immer massiv auf. Man bekommt immer noch Texte zu hören, wie „ jedem geht es mal schlecht“ oder „wer arbeiten will, kann arbeiten.“ Das musste ich mir sogar von einem Psychiater und einem Lehrer (Sonderpädagoge) anhören! Entweder die Leute akzeptieren mich, wie ich bin, oder nicht. Es geht aber auch um Selbstakzeptanz.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Gott sei Dank habe ich in meiner Familie keine besonders negativen Erfahrungen gemacht. Einzig ein Bruder hat mal einen dummen Text von sich gegeben. Er wurde aber durch seine an Depression erkrankte Frau eines Besseren belehrt. Da sich in meinem Freundeskreis ebenfalls andere Betroffene bewegten, gab es da auch nie Probleme. Und heute umgebe ich mich sowieso nur mit Menschen, die damit umgehen können und mich nehmen, wie ich bin.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Mein Wille, frei zu werden. Das ich nicht alleine war und bin.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Mir helfen meine Erfahrung und meine Fähigkeit zur Selbstreflektion, außerdem über die Krise zu reden und mich abzulenken. Irgendwann habe ich dann wieder die Kraft, aufzustehen.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Nicht aufgeben. Ursachen zu hinterfragen und daraus die aktuellen Reaktionsmuster zu reflektieren, das hilft. Wenn man selber erkennt, warum man in der ein oder anderen Situation so scharf reagiert, ist das die halbe Miete, zukünftig zu lernen, was ins Hier und Jetzt gehört, und was in die Vergangenheit gehört.

Es hilft, sich zu fragen: Was muss ich an den Umständen ändern, damit es mir besser geht?

So entschärft man viele Eskalationen. Sich selbst als wertvoll zu erachten ist ein weiterer wichtiger Punkt. Holt euch professionelle Hilfe und keine Psychopharmaka beim Hausarzt sondern beim Profi! Man geht ja auch nicht zum Viehdoktor wenn man Bauchweh hat!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Schwer zu sagen, weil das sehr individuell ist. Zum einen Authentizität im Umgang mit dem Betroffenen sowie Selbstreflektion. Eine Selbsthilfegruppe schadet auch nicht. Geduld mit dem Betroffenen aber auch aktive Mitarbeit von dem Betroffenen einfordern.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Meine Ehrlichkeit ist mein größter Trumpf. Ich bin emphatisch und gebe anderen oft das Gefühl, dass sie mit mir über alles reden können. Selbst, wenn die mich gar nicht so gut kennen.