Depressionen, PTBS, Essstörung und Suchterkrankung: Wenn wir lautstark heilen, hindern wir andere daran leise zu sterben.

Betroffene: Ise

Jahrgang: 1988

Diagnosen: Rezidivierende Depression, Multiple Posttraumatische Belastungsstörung, Essstörung, Suchterkrankung

Therapien: mehrfach stationäre Therapien, Tageskliniken und Manuelle Therapie (1x die Woche) insgesamt ca 1,5 Jahre stationär oder tagesklinisch verwahrt

Ressourcen: Ich engagiere mich ehrenamtlich in einer Selbsthilfegruppe und mache dort Service für ehemalige Süchtige und Süchtige, die noch leiden.

 

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Ich wusste schon immer, dass ich anders bin, als die anderen. Ich war schon als Kind super melancholisch und suizidal. Mit 6 Jahren saß ich das erste Mal beim Therapeuten. Ich weiß es im Prinzip schon mein Leben lang. Seit ich vor 8 Jahren deswegen berentet wurde, hatte ich es dann schwarz auf weiß.

Dass ich suchtkrank bin, wollte ich mir lange nicht eingestehen und habe es erst vor 4 Jahren eingesehen und verstanden.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Ich habe mich lange Zeit hinter einer Fassade versteckt, wie so viele von uns. Seit ich vor 4 Jahren angefangen hab in Selbsthilfegruppen zu gehen, habe ich gelernt, wie sehr der Austausch mit Betroffenen und das Sichtbarmachen von Problemen helfen kann. Seit November letzten Jahres habe ich mich dann entschieden auch auf Instagram laut zu werden mit allen Themen, die einen psychisch- und sucht-kranken Menschen im Alltag beschäftigen.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Mein Umfeld hat gespalten reagiert – meine Familie wusste zumindestens von den psychischen Problemen schon immer. Von ihnen habe ich viel Rückhalt erfahren.

Bekannte oder ehemalige Freunde haben sich gerade bei der Suchtthematik schon hier und da abgewandt… aber das ist ok. Solche Menschen kann ich in meinem Leben nicht gebrauchen.

Von der Gesellschaft würde ich mir natürlich (wie so viele andere) mehr Verständnis für psychische, vorallem aber auch für Suchterkrankungen wünschen. Oft haben die Menschen noch immer ein völlig falsches Bild von diesen Menschen.

Bei Psyche: Faulheit etc ist es bei Suchtkrankheit der Junkie mit der Nadel im Arm. Ja auch das ist ein Suchtkranker… aber wissen Sie, wieviele Ärzte, Richter, Politiker, usw in solchen Selbsthilfegruppen sitzen und versuchen von ihrer Sucht runterzukommen?

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Die Selbsthilfegruppen und der Austausch mit anderen Menschen … ganz klar!

 


Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Mein Netzwerk aus Betroffenen … Kontakt, Kontakt, Kontakt.

Sport, Atemübungen, meinen Hund …

 


Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Versteckt euch nicht. Vertraut euch euren Liebsten, Ärzten und Therapeuten an und VORALLEM NEHMT SELBSTHILFEGRUPPEN WAHR. Die sind sowas von unterbewertet und helfen am allerbesten meiner Meinung nach!

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Mir: Seid authentisch und zeigt euch ebenfalls mit euren Zweifeln/Ängsten und Problemen, damit ich mir nicht alleine vorkomme wie ein Alien.

Sich selbst: Geht in Kontakt. Sprecht über eure Gefühle! Isoliert euch nicht. Nutzt das Netzwerk an Menschen, die gerade laut werden. Seid offen für Neues. Vernetzt euch!

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin die Ulk-Nudel, die trotz all der vielen Jahre an Leid, Suizidalität, Depression und Sucht, das Lachen wieder für sich entdeckt hat.

Ich schätze an mir, dass ich trotz dem permanenten Sterbewunsch doch nie aufgegeben habe… irrerweise.

Ise ist bei Instagram.