Depressionen und Borderline: Du bist nicht allein!

Betroffener: Jonas Schmidt

Jahrgang: 1997

Diagnosen: Depression & Borderline

Therapin: Tiefenpsychologische Psychotherapie in Einzel- und Gruppengesprächen, 9-wöchiger Klinikaufenthalt nach einer akuten Krise, Webbasierte Kognitive Verhaltenstherapie mit selfapy

Ressourcen: Enten, Musik, Filme & Serien, Zugreisen durch Deutschland

 

Wie und wann hast du von deiner Erkrankung erfahren?

Im Oktober 2018 durch die Einweisung in eine psychiatrische Klinik nach einem abgewendeten Suizidversuch. Während des Aufenthalts in der Klinik habe ich viel über Psychologie und meine ganz persönliche Psyche gelernt.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Um anderen zu helfen, die heute in der furchtbaren Situation sind, in der auch ich mich einst befand.

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld (und der Gesellschaft) in Bezug auf deine Erkrankung wünschen?

Meine Familie war sehr besorgt und eher vorsichtig interessiert. Im Grunde sehr nachvollziehbar, aber auch schwierig, weil immer so eine komische Grundatmosphäre herrschte, wenn wir aufeinander trafen.

Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft sich mehr mit der menschlichen Psyche auseinandersetzt und überall mehr Bildung zu dem Thema stattfindet.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Das Wissen, dass ich nicht der einzige bin, der so fühlt, wie er fühlt. Es bringt mir zwar nichts in der Heilung, wenn ich einfach nur weiß, dass es anderen auch scheiße geht, aber es hilft mir in der Selbstakzeptanz. Und ganz wichtig auch die Diagnose selbst. Wenn man erst mal etwas in der Hand hat, was ganz genau umschreibt, woher die eigenen Gefühle und das eigene Handeln stammen, fühlt man sich gleich viel verstandener und kann sich auch selbst besser akzeptieren.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

Ich habe eine Schatzkiste erstellt, in der ich unter anderem einen leckeren Tee aufbewahre, ein paar schöne Fotos mit Freunden, einige Erinnerungsstücke an wertvolle Tage in der Vergangenheit und einen Erpel aus Holz. Letztgenannten habe ich im Zuge der Ergotherapie während meines Klinikaufenthaltes selbst ausgesägt und gestaltet habe. All diese Dinge zeigen mir liebevoll auf, was ich schon für großartige Dinge erleben durfte. Dies erinnert mich stets daran, dass es auch wieder solche schönen Ereignisse geben wird. Und was auch immer gut tut: Lange Spaziergänge mit positiver Musik und einer Tasche voll Haferflocken, um am nächsten See ein paar Enten zu füttern.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ich weiß, dass es Momente, Tage oder sogar Wochen gibt, in denen alles ausweglos erscheint. Aber ich weiß auch, dass es Auswege gibt. Deshalb lass dir bitte helfen! Du bist es in jedem Fall wert. Manchmal reicht es schon, wenn man sich irgendwo auskotzen kann über die eigenen inneren Konflikte.

Wenn du Menschen um dich hast, die sich um dich sorgen, stoße sie nicht ab, sondern reflektiere, warum sie sich Sorgen und ob diese Sorgen nachvollziehbar sind. Hätte ich die Sorgen meiner Mitmenschen um mich früher ernstgenommen hätte, wäre ich nie in der Klinik gelandet, sondern hätte mich viel früher in professionelle Hilfe begeben können.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Seid offen und ehrlich einander gegenüber und vermittelt die Sorgen um eure betroffenen Angehörigen so, dass sie sich nicht von Vorwürfen überschüttet sehen, sondern dass sie sich öffnen können. Dabei ist aber auch wichtig, zu akzeptieren, dass die betroffene Person eventuell erst mal ablehnend reagiert, weil sie sich nicht eingestehen kann und möchte, dass etwas mit ihr nicht stimmt. So war es bei mir auch.

Es hilft ungemein, konkrete Angebote auszusprechen. Beispielsweise einfach zu sagen „Ich bin immer für dich da und warte stets mit zwei offenen Ohren und zwei offenen Armen auf dich.“ oder auch in späteren Schritten bei erst mal banal wirkenden Dingen zur Seite zu stehen. „Wenn du nicht alleine zu deiner Ärztin gehen möchtest, begleite ich dich gerne!“ oder „Lass uns gerne zusammen ein paar Therapeut:innen abtelefonieren.“ sind Sätze, die in meinen Augen nie fehl am Platz sind.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich kann Menschen sehr gut Dinge nahe bringen, die mich beschäftigen. Oft bekomme ich das Feedback, dass man mir gerne zuhören mag. Kein Kompliment berührt mich so tief wie dieses.

 

Jonas findet Ihr in allen Netzwerken! (@jonas.lgbt)

 

Jonas war bei unserem Fotoshooting in München dabei und begleitet die #Mutmachleuteontour mit seinem Aufsteller.

Foto: Dirk-Martin Heinzelmann