Anna Starks-Sture

PTBS, Panikstörung und Depressionen: Nur wenn ich meine Schwächen akzeptiere, kann ich sie zu Stärken machen.

Betroffene: Anna Starks-Sture
Jahrgang: 1984
Diagnose: PTBS, Panikattacken, Depressionen (keine „offiziellen“ Diagnosen)
Therapie: Imaginationstherapie, Selbst- und Schreibtherapie; Meditation
Ressourcen: Mein Partner für Leben, meine Tochter, Uno und Wilma-die Samtpfoten, Natur, Meditation, Bücher, Schreiben,

 

Wie und wann hast du von deiner Störung erfahren?

Auslöser war der Unfall meines Partners. Als der Unfall passierte machte ich gerade eine zweijährigen Weiterbildung neben der selbstständigen Tätigkeit im Verlag und pflegte meine demente Großmutter. Dabei hatte ich den Anspruch neben der beruflichen und privaten Belastung, auch den gesellschaftlichen Ansprüchen weiterhin optimal gerecht zu werden. Obwohl bei dem Unfall nichts Schlimmeres passiert ist, hat mich der Anruf, der mich darüber informierte, dass mein Freund in der Notaufnahme ist, komplett lahmgelegt. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte mich kaum bewegen, ein Freund musste mich in die Notaufnahme begleiten. Von diesem Moment an, konnte ich für die nächsten 6 Monate plötzlich die einfachsten Dinge nicht mehr alleine bewerkstelligen. Autofahren, U-Bahnfahren, Einkaufen, all das war alleine nicht mehr möglich und auch mit Unterstützung nur schwer möglich. Ich hatte sogar in meinen eigenen vier Wänden Panikattacken ohne ersichtlichen Grund. Ich war völlig abhängig von der Hilfe meiner Freunde. Begleitet war dieser Zustand von quälenden Gedanken über den Tod und die Sinnlosigkeit des Lebens

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

Als Verlegerin eines Ratgeberverlags für psychologische Lebenshilfebücher, motiviere ich immer wieder betroffene Menschen, offen zu ihrer Krankheit zu stehen und darüber zu berichten, was ihnen geholfen hat. Mir war klar, dass die Dunkelziffer an Menschen, die unter psychischen Krankheiten leiden, weitaus höher ist, als die offiziellen Zahlen belegen können. Dass es aber tatsächlich jeden treffen kann, ist mir erst bewusst geworden, als ich mich selbst in so einer Situation wiederfand. Ich stellte fest, dass es für Betroffene auf Grund von Unwissen und Berührungsängsten immer noch schwierig ist, offen mit ihrer Krankheit umzugehen. Betroffene werden schnell als verrückt abgestempelt. Sie müssen fürchten sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld nicht mehr ernst genommen zu werden. Nur wenn alle Betroffenen Gesicht zeigen, wird klar, wie weit verbreitet psychische Erkrankungen sind – und damit verbunden wird auch klar, dass eine psychische Krankheit etwas ganz „Normales“ ist.

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

Mein Umfeld hat positiv und hilfsbereit reagiert. Trotzdem habe ich bei einigen Menschen auch ein Unwohlsein gefühlt, wenn ich sie mit meiner Problematik konfrontierte. Mit solchen negativen Themen wollten sie sich nicht näher befassen. Typisch dafür waren Sätze, wie: „Ach, du gehst ja zur Therapie, dann wird das schon wieder alles gut. Und sonst, wie geht’s dir?“

Außerdem habe ich bemerkt, dass es für einige meiner Angehörigen schwierig war, zu akzeptieren, dass ich, die immer sehr stark und stabil wirkt, auf einmal völlig schwach und hilflos bin. Vielleicht weil Ihnen dadurch klar wurde, dass es eben wirklich jeden treffen kann.

Ich wünsche mir einen offenen und neugierigen Umgang mit psychischen Störungen. Ich wünsche mir außerdem, dass psychische Störungen zum Leben gehören „dürfen“, und sie von der Gesellschaft nicht verdrängt oder als selten auftretendes Phänomen ausschließlich bei Menschen, die in der Kindheit stark traumatisiert wurden, behandelt werden.

 

Welche Dinge haben dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

Es gibt immer noch Momente, da möchte ich meine Ängste nicht als einen Teil von mir akzeptieren, möchte, wie früher, angstfrei, stark und komplett unabhängig sein. Wenn ich mir dann bewusst mache, dass ich gerade, weil ich meine Ängste habe und damit lebe und zu recht komme, ein besonders starker Mensch bin, dann hilft mir das sehr bei der Akzeptanz. Nur, wenn ich meine Schwächen akzeptiere, kann ich sie zu Stärken machen.

Nur, wenn ich meine Schwächen akzeptiere, kann ich sie zu Stärken machen.

Wenn ich manchmal den Wunsch habe, völlig gesund zu sein, mache ich mir klar, dass jeder Mensch in irgendeiner Weise unter psychischen Problemen leidet. Dass sie zu jedem Leben dazu gehören. Dann wird mir klar, dass der Wunsch völlig gesund zu sein, utopisch ist. Die wenigsten Menschen können von sich behaupten physisch und psychisch völlig gesund zu sein. Auch, wenn es schwer ist: die Akzeptanz, dass auch negative Themen zum Leben gehören, macht das Leben leichter.

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

In der Meditation kann ich meine Gefühle vorurteilsfrei und mit Distanz betrachten. Durch das Schreiben kann ich meine Gedanken sortieren. In der Natur fühle ich mich verbunden. Durch mein enges Umfeld fühle ich mich gehalten. Die Liebe zu meiner Tochter gibt meinem Leben einen Sinn.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Dran bleiben und nicht aufgeben, das ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Außerdem brauchen Betroffen viel Geduld und Mut, damit sie sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Jeder Betroffene sollte sich außerdem bewusst machen, dass es Hilfen gibt, und dass es kein Zeichen von Schwäche ist, diese anzunehmen. Es ist einfach nur schlau. 😉

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

Seid offen und neugierig. Über die psychische Krankheit eures Betroffenen zu sprechen, hilft beiden Seiten. Und, wenn die Angehörigen auch in der Öffentlichkeit zu Ihrem Betroffenen stehen, hilft das sowohl dem Betroffenen, aber auch dem Angehörigen selbst, denn auch Angehörige haben leider mit einer Stigmatisierung zu kämpfen. Auch hier ist der offene Umgang das beste Hilfswerkzeug.

Angehörige sollten sich nicht schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und zuletzt sollte jeder Angehörige aufpassen, sich selbst nicht zu verlieren, beim Versuch den Betroffenen zu retten. Das kann nämlich nur der Betroffen selbst. Die „Aufgabe“ von Angehörigen ist „da zu sein“ aber nicht „Verantwortung zu übernehmen“.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Diese Frage ist wirklich gar nicht so einfach zu beantworten. 😉
Ich bin offen, neugierig, humorvoll und mitfühlend. Ich bin sensibel und zielstrebig.

Ich schätze meine Empathie, auch, wenn sie mir manchmal im Weg steht, z.B., wenn ich mich so sehr in andere Menschen einfühle, dass ich mich selbst dabei verliere. Mein organisatorisches Talent macht mir oft Freude und hilft im Alltag. Meine Kreativität macht mein Leben bunter und hilft mir ebenfalls im Alltag. Am meisten schätze ich meine Offenheit, denn durch sie mache ich oft spannende und schöne neue Erfahrungen und lerne immer wieder besondere Menschen kennen.

Anna Starks-Sture ist Initiatorin und Gründerin des Projekts #Mutmachleute und vom ersten Moment an mit dabei.